Ärzte und Finanzen
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von Bernhard Mäulen
I Einleitung In früheren Jahren galten Ärzte als Personen mit Wohlstand, ja Reichtum und die Wahl des Arztberufes schien unter finanziellen Gesichtspunkten als attraktiv. In jüngster Zeit haben sich massive Verschlechterungen ergeben: die Praxisgewinne gingen unter Budgetdeckelung deutlich zurück, einige Kollegen/innen mußten ihre Praxen auch schon wieder schließen; bei den angestellten Ärzten haben so manche betriebsbedingte Kündigung, befristete Anstellungsverträge und Gehaltsreduzierung etc. hinnehmen müssen. Weiter wurde für die Ärzte mit Kassenzulassung die Zwangspensionierung mit 67 Jahren beschlossen, in einzelnen Berufsgruppen sanken die Honorare /Punktwerte auf Bereiche, die man nur noch als Zumutung oder politisch verordneten Zynismus verstehen kann. Ähnlich wirken Gerichtsurteile, in denen deutsche Richter 2500,- DM Einkommen für niedergelassene Ärzte als völlig in Ordnung gelten lassen. Auf Ärztetreffen, bei Diskussionen über die Zukunft und die mögliche Entwicklung von Punktwerten kann man sehr oft eine Mischung von ohnmächtiger Wut und kollektiver Enttäuschung, ja Depression wahrnehmen. Es scheint, als ob die guten Jahre vorbei sind, eine Nivellierung der Praxiserlöse bis hin zu einem Einheitsgehalt ansteht, bei dem –paradoxer Weise- der einzelne Arzt aber nach wie vor das finanzielle Risiko persönlich tragen soll. Während etwa Anwälte Ihre Gebührensätze in den vergangenen Jahren angemessen erhöhen durften, wurden bei Ärzten trotz gestiegener Kosten die Umsätze zurückgeschraubt und Verzichtsbereitschaft verordnet. Dies alles hat zu massiver Verunsicherung, ja Existenzangst bei Ärzten geführt. Mancher Arzt und manche Ärztin findet außerdem keine Heimat in einer Medizin, deren Entscheidungen weniger zum Wohle kranker Menschen und mehr unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gefällt werden. Was kann die Ärzteschaft als Ganzes und was kann der einzelne Arzt in dieser Situation tun? II Medizin als Teil der Wirtschaft Medizin war und ist auch immer Teil einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, deren Gegebenheiten nachhaltige Auswirkungen auf die Ausübung ärztlichen Handelns haben. Schon vor ca. 2400 Jahren versprach ein angehender Medikus im Eid des Hippokrates, den eigenen Lehrer zu ehren, ihn an seinem Hab und Gut teilhaben zu lassen sowie seine Söhne unentgeltlich zu unterrichten. Erst danach wurden die Pflichten gegenüber Patienten aufgeführt. (Kapferer 1995) Über längere Zeit behandelten Ärzte die oberste Bevölkerungsschicht. Eine für die Allgemeinbevölkerung zugängliche gute medizinische Versorgung ist historisch eher jüngeren Datums. Wohlstand und oder Armut einer Gesellschaft bestimmen nachhaltig die Möglichkeiten gute Medizin zu praktizieren. In Deutschland wissen manche dies noch aus den Kriegs- und vor allem Nachkriegsjahren, ansonsten können wir es täglich in den Nachrichten verfolgen: so bekommen Ärzte in Russland seit Monaten kein Gehalt und arbeiten trotzdem weiter; Südafrika beschafft sich illegal Generika, da ca. 20% der Bevölkerung HIV positiv ist und die Medikamente nicht bezahlt werden können. Bei uns in Deutschland prangern Autoren die Entwicklung einer zwei Klassen Medizin an als ob es eine solche zwei Klassenmedizin nicht schon immer gegeben hat. Ansehen und Einkommen von Ärzten richte(te)n sich auch stark nach der Schichtzugehörigkeit der Patienten, die ein Arzt behandelte: i.d.R. waren Armenärzte selber wenig bemittelt, die Ärzte der Vornehmen meist deutlich besser dotiert. Je nach Steuerung der Zulassungsstellen, gab es bald zu wenig, bald zu viele Ärzte in einem Land. In den USA waren um 1850 zu viele Ärzte vorhanden; der später berühmte Chirurg Dr. Gross beschrieb seine Situation damals folgendermaßen: “so jedoch arbeitete ich schwer und mit geringem Verdienst”. Schwierig war i.d.R. auch die wirtschaftliche Situation für Medizinstudenten z.B. Karl Ernst von Baer, späterer Professor und berühmter Forscher, erduldete in seiner Ausbildung “wahre Noth und harte Entbehrungen” (Rosen). Noch um 1950 konnten bei uns viele Ärzte nur dann eine Facharztausbildung bekommen, wenn sie unbezahlt als sogenannte Volontäre im Krankenhaus arbeiteten. Konkret bedeutete dies, daß Heirat, Familiengründung, eigene Anschaffungen parallel zur Ausbildung schwer möglich waren. Bsp 1: Mein Schwiegervater, Dr. Heinz Fahrner mußte nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft erst fertig studieren, dann konnte er eine internistische Fortbildungstelle in Freudenstadt nur ohne Bezüge bekommen. Später bekam er halbes und erst nach 1,5 J volles Assistenzarztgehalt. 2. Es gilt eine innere Haltung zu überwinden, die sich ausschließlich am bisherigen Besitzstand orientiert und auf Verluste fixiert ist; dadurch verharren wir in einer depressiven und unflexiblen Opferrolle, die niemanden gut tut. 3. Wir Ärzte können nach Wegen suchen, unter veränderten Bedingungen mit Befriedigung weiter als Arzt/Ärztin zu arbeiten und den Beruf als sinnvoll zu erleben. 5. Wir Ärzte brauchen wesentlich mehr an betriebswirtschaftlichem Wissen! Lehrgänge, Praxisbeispiele, Fehleranalyse bei Krisenfällen sollten für Niedergelassen vermehrt angeboten werden. III Ärzte und ihr Umgang mit Geld Wer -wie ich- viele Ärzte behandelt, weiß, daß die Kompetenz im Medizinberuf und die Kompetenz in finanziellen Dingen nicht immer Hand in Hand gehen. So wie in anderen Berufen auch gibt es sparsame und fleißige, geizige sowie verschwenderische Kollegen/innen. Manche genießen Geld und Besitz, fühlen sich narzißtisch bestätigt und aufgewertet dadurch, andere Ärzte machen sich wenig aus Statussymbolen und Anhäufung von Gütern. Ich kenne Kollegen, die sind finanziell unglaublich naiv, leichte Beute für Anlagevermittler 2.Bsp ein junger niedergelassener Kollege, der sich mitten im Praxisalltag am Telefon mit unsoliden Gewinnversprechungen 100.000,- DM für Warentermingeschäfte abschwätzen ließ; andere wiederum sind selber gerissen und maximieren ihren Gewinn ohne Rücksicht auf Angestellte, Partner oder Patienten. Nur die wenigsten nehmen sich Zeit, um ihre Besitzwünsche, Sicherheitsbedürfnisse und auch ihre Fähigkeit mit Geld glücklich zu werden zu analysieren. Wovon hängt unser Umgang mit Geld psychologisch ab? In erster Linie von Erfahrungen in Kindheit und Elternhaus, von existentiellen Grundängsten die zu (oft überzogenem) Sicherheitsbedürfnis führen. Eine wichtige Rolle spielt Geld auch zur intrapsychischen Kompensation unerfüllter, auf die Zukunft verschobener Wünsche. Es lohnt sich für jeden, darüber persönlich nachzudenken. Wichtige Fragen stellt etwa Kirschner (1980) Mit wie wenig an Besitz und Einkommen kann ich auskommen? Wann hab ich genug? Wie nutze meine finanzielle Unabhängigkeit um das Leben so zu führen, wie ich will? Als Psychotherapeut beleuchte ich oft den familiären Hintergrund meiner Arztpatienten: Welche Rolle spielte Besitz in der Herkunftsfamilie? Welche Symbolkraft wurde dem Geld zugeschrieben : Sicherheit, Status, gutes Leben, Anerkennung und Erfolg, Genuß? Gab es beschämende Erlebnisse aus Armut heraus, spielte Neid auf die, die es besser hatten, eine wichtige Rolle? Welche ausgesprochenen und unausgesprochenen Botschaften haben die Eltern uns in Bezug auf Besitz mitgegeben? 3. Bsp Ich persönlich stamme aus einem Unternehmer Haushalt, mein Vater war beruflich sehr erfolgreich, Besitz und Status bedeuteten ihm viel. Mütterlicherseits waren durch Kriegs- und Inflationserlebnisse starke Ängste , man könne alles von jetzt auf gleich verlieren in mich hinein gelegt. Das Resultat? Eine zu einseitige Identifikation von Erfolg über materiellen Gewinn, und erhebliche Ängste Geld loszulassen, auszugeben und wirklich zu genießen. Im Verlaufe der Jahre konnte ich manches davon abwerfen und freue mich über meinen Besitz heute mehr als früher. Die Grundstrukturen bleiben erhalten und so ist mir die liebevolle Selbstregulierung zwischen Festhalten und Ausgeben immer wieder Herausforderung. Für die meisten Ärzte bietet das Leben Knoten- oder Entscheidungspunkte an: Beförderungen, Zusatztätigkeiten, aber auch Entscheidungen über eine größere Kreditaufnahme oder Abschreibungsobjekte. Äußerlich mag es um gesparte Steuern, höheres Einkommen etc gehen, innerlich wählt man meist zwischen mehr an Freiheit und mehr an Belastung. Vor Jahren habe ich zwischen dem Verbleib in einer sehr gut dotierten Chefarztstelle und der Niederlassung als Psychotherapeut gewählt. Trotz meines gesicherten finanziellen Hintergrundes war dies ein schwieriger Entscheidungsprozeß, der mich mit tiefen inneren Ängsten konfrontierte. IV Ärzte als selbständige Unternehmer in der Praxis Neben den eher psychotherapeutischen gibt es aber auch ganz konkret lebenspraktische Gesichtspunkte. Wir lernen 6 Jahre fürs Basisstudium und dann noch mal 4-5 Jahre bis zum Facharzt in der Medizin. Wieviel Zeit nehmen wir uns, das wirtschaftliche Basiswissen z.B. den Umgang mit Banken, Arbeitnehmern, Steuerberatern, Finanzamt zu lernen? Was wissen wir über Liquidität, Rentabilitätsberechnung, Break even point, Abschreibung etc.? Auch wenn bei den Einführungsseminaren der KV‘ en meist ein Banker oder Versicherungsfachmann spricht, diese paar Stunden können doch nicht die Grundlage für das wirtschaftliche Handeln eines Arztes legen, der im Normalfall als Unternehmer mit mehreren Angestellten, 500.000 DM Umsatz und ggfs Krediten bis zu einer Million arbeiten und rechnen muß. Da gibt jede Handwerkskammer einem angehenden Meister ein Vielfaches an Rüstzeug mit. Es gibt entsprechende Seminare über betriebswirtschaftliche Praxisführung, doch sie werden noch zu selten genutzt (ÄZ Mai 2000). Leider sagt einem kaum einmal jemand so etwas während der Assistenzjahre. 5.Bsp Während meiner Zeit als Chefarzt hatte ich einen nicht mehr ganz jungen Assistenten, der als Therapeut außergewöhnlich gut war; ohne Dissertation und Facharzttitel kam er mit den schwierigsten Patienten zurecht. Zugleich konnte er als Angestellter mit seinem deutlich übertariflichen Gehalt oft nicht auskommen, es gab Gehaltspfändungen, verschiedene Bitten um Vorschuß, ja einmal habe ich ihm aus meinem Privatvermögen einen Kredit gegeben. Kurz er konnte selbst als Angestellter kaum balanciert mit seinem Einkommen umgehen. Die Niederlassung, über die er völlig überzogene Vorstellungen hatte, ging dann auch nach sehr kurzer Zeit schief. Auf der anderen Seite gab es auch immer vermögende Ärzte, die zu repräsentieren wußten und mit ihrem Reichtum teils die Wissenschaft förderten, teils eigene Institute gründeten, teils ein Leben als Bohemien führten. BSP 7 Eindrücklich zeigt dies der oscarprämierte Film Doktor Schiwago, in dem der Arzt anfangs als Teil der obersten gesellschaftlichen Schicht von St. Petersburg fürstlich wohnt und rauschende Feste besuchen kann, bevor er durch die Revolution alles verliert. Meist übersehen Außenstehende geblendet durch die reiche Fassade, daß ein Vermögen hart erarbeitet werden muß, und einiges an Last und Verantwortung mit sich bringt, vom Neid ganz zu schweigen. Es ist eine naive Vorstellung, daß große Besitztümer leicht zu verwalten oder zu erhalten seien. Ja in manchen Familien wirken sie sich eher negativ aus, weil es dauernd Streit gibt oder – gerade angesichts ererbten Vermögens- die eigene Lebensleistung bedeutungslos wird. Ich kenne mehrere Ärzte, die sowohl Besitz- wie auch Einkommensmillionäre sind und bin mit einigen befreundet. Nach meinem Dafürhalten beherrschen nur wenige die Kunst, sich trotz des Geldes frei zu fühlen und von den vielen Ärgernissen nicht auffressen zu lassen. BSP 8 Dr. med. Amand Hammer war wohl der reichste Arzt des 20 Jahrhunderts, was er anfasste wurde zu einem Gewinn. Er arbeitete nur sehr kurz als Arzt und ging dann in den Handel, wurde Öl Magnat, Philantrop, Kunstsammler, liebte Motorräder und ausgefallene Heißluftballons sowie rauschende Feste. (Hammer 1988).
V Über`m Abgrund- Mit der Praxis in die Insolvenz Jeder, der den ärztlichen Beruf in der Erwartung eines Trotz aller Ängste, aller Zukunftsunsicherheit, die Wahrscheinlichkeit für einen Arzt mit der Praxis in Konkurs zu gehen ist gering. Selbst Berater, die ein halbes Leben lang nur Ärzte betreuen, können sich nur an wenige Einzelfälle erinnern (Pers.). Einig sind sich die Finanzberater aber darin, daß die Zahl von insolventen Praxen zunehmen wird. Erstaunlich für mich als Psychotherapeuten ist das Fazit vieler Banker, das es weniger die reine medizinische oder finanzielle Ebene ist, die in die Pleite führt. Viel öfter sehen sie die Gründe in der Person des Praxisinhabers/in oder seinem privaten Umfeld (Tab II Gründe für Insolvenz): zu langes Abwarten bei finanziellen Fehlentwicklungen, Ängste unangenehme Entscheidungen in der Praxis umzusetzen, infantile Wünsche alle unternehmerischen Entscheidungen/Probleme an die Berater delegieren zu können, unkluges Anlageverhalten, überhöhter Privatkonsum. Sicher gibt es noch eine Reihe weiterer Gründe für existenziell bedrohliche Praxiskrisen: Mangel an fortune (Pech), Unglücksfälle des Lebens, Krankheiten des Arztes ( insbesondere Süchte ((Alkohol, Medikamente, Spielsucht etc)), Depressionen. BSP 9 Ein niedergelassener Arzt gibt in einer manischen Krankheitsphase die Kassenzulassung zurück, weil er meint ohne diese besser dran zu sein. Wieder gesund merkt er, daß er einen Riesenfehler gemacht hat, und ohne die Kassen finanziell nicht zurecht kommt. Ähnlich wie wir Ärzte Krankheiten in Stadien einteilen, und je nach Phase verschiedene Therapieschemata anwenden tun es auch die Banker oder professionellen Sanierer I Normalphase Es gibt eine aureichende Liquidiät, Kosten und Ertrag sind o.k., Privatentnahme unverändert, III frühe Krisenphase Die Liquidität ist geringer, aber erscheint nicht bedroht, gleichbleibenden oder gestiegenen Kosten stehen sinkende Erträge gegenüber, Praxisinhaber hofft auf Besserung aber nimmt keine Korrekturen vor. IV mittlere Krisenphase Deutlicher Liquiditätsengpaß, Ertragsentwicklung weiter rückläufig, statt Kosten zu senken oder Erlöse zu steigern wird defensiv gedacht und der Kreditrahmen erhöht V späte Krisenphase Immer geringer Handlungsspielraum, Liquidität kann nur noch durch Notmaßnahmen aufrecht erhalten werden, negatives Ertragsverhältnis, Kredite können immer weniger bedient werden, Zinslast wird übermächtig, Überschuldung wird unaufhaltsam VI Zusammenbruch, Insolvenz So oder ähnlich verläuft die Praxiskrise in vielen Fällen. Wesentliche Charakteristika sind: *Langer Vorlauf, rapider Absturz, *zu langes Abwarten bezüglich Korrekturen *Einengung des Handlungsspielraums *Am Ende Fremdbestimmung (meist durch die Hausbank) Während es für den Arzt (meist viel zu lange) um die unbedingte Erhaltung des Status quo geht, empfehlen alle Ratgeber/Sanierer/Banker, mit denen ich gesprochen habe: So früh wie möglich auf die veränderten Rahmenbedingungen /Ertragsentwicklungen zu reagieren. Konkret bedeutet dies gründliche Prüfung einer Kosten- und Ausgabenreduktion. Keine Frage, dies ist für den Betroffenen unangenehm, erfordert Veränderungsbereitschaft. Jedoch die Alternative ist noch viel unangenehmer- Fremdbestimmung, Vermögensverlust, Konkurs. Hoch kontrovers ist die Frage, wer einem am besten aus einer sich abzeichnenden Krise hilft. Einerseits kennen der eigene Steuerberater und der Banker Ihres Geldinstitutes Sie persönlich und Ihre finanziellen Verhältnisse genau. Sie haben viele Informationen, die ein externer Berater zunächst nicht hat. Andererseits haben mir viele gestanden, daß Hausbank und Steuerberater an der Krise durchaus ihren Teil haben können und deswegen massiv befangen sind: Welcher Steuerberater räumt schon gerne ein, daß das von ihm empfohlene Abschreibungsprojekt keine gute Idee war und zu viel Liquidität bindet. Welcher Banker gibt schon zu, eine überhöhte Kreditaufnahme empfohlen zu haben oder die Situation falsch eingeschätzt zu haben? Auch schilderten mir Kollegen z. T. drastische Praktiken und wenig Kooperationsbereitschaft seitens ihrer Bank. Zu hören ist auch der Vorwurf, Banken hielten nicht mehr rentable Praxen künstlich am Leben (MMW-2000). Manipulationen und Tricks von Banken schildert der Journalist Möntmann und empfiehlt z.T. drastische Gegenmaßnahmen (Möntmann 1998).
VII In Not ist nicht nur die Praxis sondern auch der Arzt Viel zu oft wird vergessen, daß nicht nur die Praxis in Not ist, sondern auch der Inhaber/in und meist auch noch die Familie! Verzweiflung, Tränen, Wut auf teure Berater, deren Konzepte nichts (mehr) taugen, auf die Politik, auf sich selber, Ohnmacht, depressive Resignation, Suizidalität- all dies habe ich mittlerweile mitbekommen. BSP 12Vor kurzem machte der Chirurg Walerian Kuciak aus Erkelenz per Hungerstreik bundesweit auf sich aufmerksam. Trotz voller Praxis und harter Arbeit nahmen seine Schulden immer mehr zu. (ÄZ Jan 2000). Selbst wenn die Rettung nicht gelingt, die Praxis und oft auch das eigene Haus verloren geht, kann man als Arzt weiter machen. Die Kompetenz ist ja noch vorhanden und meist auch der Wille im gelernten Beruf zu arbeiten. Man kann sich mit mehr oder minder geschickten Verträgen anstellen lassen, Teil eines Praxisteams werden; selbstverständlich können auch Tätigkeiten außerhalb der Medizin ausgeübt werden- denn die Grundintelligenz und der Fleiß vieler Ärzte bewähren sich ja auch in anderen Berufen. In jedem Fall muß das Verlusterlebnis, das Scheitern aber irgendwie bewältigt werden, am besten mit therapeutischer Begleitung. So paradox dies für manchen Leser/Leserin klingen wird: die persönliche Lebensqualität ist nach dem Scheitern manchmal wieder ganz gut, der nicht- enden- wollende Kampf Unabwendbares hinauszuschieben war retrospektiv für einzelne Kollegen schlimmer. FAZIT: Kollegen, deren Praxis in Not ist, sollten sich auch psychotherapeutische Unterstützung gönnen. Oft entscheidet die psychische Verfassung des Praxisinhabers wesentlich mit über das Ergebnis einer Sanierung im Extremfall über das finanzielle Überleben. Eine drohende Insolvenz bedeutet eine hohe emotionale Belastung, Auseinandersetzungen mit Gläubigern und Gerichten erfordern viel psychische Kraft, Hoffnung, die Betroffene nicht immer nur in der Familie finden werden. Hier kann professionelle Hilfe depressives Einbrechen, suizidale Krisen, Fehllösungen mit Suchtmitteln auffangen und konstruktive Bewältigungsstrategien sowie Mut vermitteln. Dr. med. Bernhard Mäulen Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie St. Nepomukstraße 1/2 78048 Villingen-Schwenningen e-mail: DocMaeulen@t-online.de
Tabelle I Persönliche Voraussetzungen für d. Praxiserfolg Zit. und modifiziert nach Westphal, Susanne (1999)
Tab II Gründe für Liquiditätsengpässe in der Praxis
LITERATUR ZUM MMW BEITRAG ÄRZTE UND FINANZEN
Leseempfehlung zum Artikel: Ressel, Hildegard: Was ich w i r k l i c h brauche. ISBN 3-502-14596-2 |