Ziele

Warum ich das Institut für Ärztegesundheit gegründet habe
- eine persönliche Anmerkung von Bernhard Mäulen -
Fast mein ganzes Berufsleben als Arzt haben mich nicht nur Patienten sondern auch die Behandler der Patienten nämlich Ärzte, Ärztinnen, Therapeuten/innen, sonstige Heilkundige interessiert. Vor dem Physikum begann ich mit der Lektüre von Arzt-Biographien, bekannten z.B. über Sauerbruch, Albert Schweizer und weniger bekannten aus den früheren Jahrhunderten. In diesen Biographien wurden Probleme, Sorgen, Triumphe und Freuden des Arztseins und der jeweilige private Preis dafür erkennbar.Auch Arztromane (z.B. Die Zitadelle von Cronin) beflügelten meine Phantasie und hielten mehr oder minder stimmige Schablonen der Arztrolle bereit. Zugleich zeigten die besseren Romane aber auch ein realistisches Bild von den Schwierigkeiten im Studium, den Assistenzjahren, der bedrohten Lebensqualität, den finanziellen Engpässen sowie der erheblichen Konkurrenz unter Ärzten auf. Kurz nach dem Staatsexamen suizidierte sich ein befreundeter Kollege, mit dem ich für das Examen gelernt hatte. Umgeben von Kollegen und Freunden sprang er -ohne einmal um Hilfe gebeten zu haben- in den Tod. Eine sehr persönliche und bittere Lektion, wieviel unausgedrückte Verzweiflung in manchen Ärzten ist.Im Zivildienst war ich als junger Notarzt selbst mehrfach in gefährlichen Situationen. Der Wunsch / der Zwang zu helfen war riesig, ein eigener Schutz oder eine Anleitung zur Verarbeitung des Erlebten Schrecklichen fehlte komplett. Ich bekam mit, daß viele Kollegen nach ein paar Jahren die Notfallmedizin verließen, weil es ihnen zu viel wurde und psychischer Schutz und Ausgleich nicht gegeben waren.

Anschließend arbeitete ich einige Jahre als Assistent und Ko-Therapeut von Elisabeth Kübler-Ross. Auf ihren Seminaren für Sterbende und Angehörige Anfang der achtziger Jahre traf ich Hunderte von Kollegen/innen, die meist unglaublich bemüht waren, ihren sterbenden Patienten zu helfen. Sie selbst waren dabei oft ausgebrannt und so überarbeitet, daß sie kaum noch ein Privatleben hatten und randvoll waren, mit nicht gelebten eigenen Wünschen und Gefühlen.

Später begann ich suchtkranke Ärzte und Ärztinnen zu behandeln und ein Programm mitzuentwickeln, das ihnen spezifische Unterstützung für ein abstinentes Leben und Arbeiten im Beruf ermöglichte. Dies Programm hat sich mittlerweile viel hundertfach bewährt. Über Jahre habe ich Woche für Woche die Lebensgeschichten dieser Kollegen/innen angehört, ihre Verzweiflung und Not gespürt, wurde Zeuge ihrer Versuche trotz schwerer eigener Krankheit bis zum letzten ihren Beruf auszuüben. Später kamen Ärzte/innen mit Depressionen, Suizidversuchen, Kunstfehlerverfahren, sexuellen Übergriffen, Partnerschaftsproblemen und burn-out hinzu.
Mir wurde klar, dass ein Mangel herrscht, ein Mangel an Bewusstsein, dass die Gesundheit von Ärzten auf Dauer wichtig ist.

Ich erkannte, dass es nicht angeht, dass Ärzte im Studium, in den Jahren der Facharztausbildung und später als Niedergelassene nicht hingewiesen werden auf berufsspezifische Gefährdungen und Möglichkeiten der individuellen Vorsorge. Mir wurde klar, dass das Gesundheitssystem auch gesundheitliche Gefahren für Ärzte und Ärztinnen verursacht.

Auf der Suche nach Abhilfe habe ich Vorträge gehalten, Artikel veröffentlicht und immer wieder Unterstützung von anderen Ärzten/innen bekommen, die mit viel Engagement und Herz ein ähnliches Anliegen verfolgten. Ihre Begeisterung und ihr Durchhaltevermögen in einem Gebiet, das lange nur sehr wenige zu interessieren schien, haben mich ermutigt weiterzumachen. Mittlerweile geht es so vielen angestellten und freiberuflichen Kollegen/innen schlecht, dass das Interesse für Ärztegesundheit auch im deutschsprachigen Raum wächst. Viele Anregungen habe ich in den USA bekommen, sei es auf den Konferenzen für Ärztegesundheit (physician health) der Amerikanischen und Kanadischen Ärzteorganisationen (AMA, CMA), sei es auf physician wellness Konferenzen. Mit Begeisterung tausche ich mich aus mit denjenigen, die in Deutschland und Nordamerika für Ärztegesundheit Pionierarbeit leisten. Einige, denen ich besonders danke, unterstützen das Institut für Ärztegesundheit als korresponiderende Mitarbeiter.