Alter

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Schwerer Abschied vom weißen Kittel
Kommt nach der Praxis die große Leere?

Leben auch Sie nur für Ihre Praxis, ist der Rest der Welt zur Randerscheinung geworden? So mancher Kollege hat 35 Jahre in seiner Praxis gerackert, war immer für andere da – und dabei auch ganz glücklich. Bis mit 68 das gesetzlich verordnete Ende der Kassenarzttätigkeit kam. Ohne Praxis war das Leben plötzlich leer und sinnlos geworden. Welche Probleme ein Psychiater bei seinen alternden Kollegen beobachtet hat und welche Bewältigungsstrategien er empfiehlt, beschreibt er im folgenden Beitrag.

Ein Leben lang eingeschworen auf den Kampf gegen Krankheit, Alter und Tod ist es für viele Ärzte fast ein Tabu, Alterungsprozesse bei sieh selbst wahrzunehmen oder darüber zu sprechen. Lieber orientieren wir uns an dem, was die Medien so gerne zeigen: den älteren Arzt, der souverän und scheinbar ewig ärztlich tätig ist. Doch natürlich holt auch uns das Alter ein und dann kann es zu fatalen Entwicklungen kommen, wie die Kurzkasuistiken im Kasten auf der gegenüberliegenden Seite zeigen.

Häufigstes Antidot und sicherlich auch legitim ist es, möglichst lange zu arbeiten: Da eröffnen pensionierte Klinikärzte schnell eine Privatpraxis; niedergelassene Kollegen/innen arbeiteten früher oft bis weit über das 70. Lebensjahr in der Praxis und erleben heute den KV-Zulassungsentzug als sozialistischen Eingriff in ihre persönliche Entscheidungsfreiheit. Und selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ich zum selbst gewählten Zeitpunkt aus der Praxis aussteigen kann oder zwangsweise enteignet werde!

Was ältere Ärzte besonders belastet

Was bringt der Altersprozess für Ärzte mit sich? Ist es das Ende der ärztlichen Tätigkeit, die Einschränkung durch körperliche Krankheiten, das Wegsterben von Verwandten und befreundeten Kollegen/innen? Zu Letzterem erinnere ich die Äußerung eines Arztes im 75. Lebensjahr, der mir spürbar belastet mitteilte, er habe die letzten Monate auf zu vielen Beerdigungen von Ärzten oder beim Besuch befreundeter Kollegen in diversen Krankenhäusern verbracht.

Neben den allgemeinen Faktoren stehen für Ärzte/innen spezifische Aufgaben zur Lösung an.

Bin ich erst Arzt, dann Mensch?

Niedergelassene Ärzte/innen haben traditionell oft weit über das 70. Lebensjahr hinaus gearbeitet – ob aus Freude am Beruf, finanziellen Interessen oder aus Angst vor der Zeit danach sei dahingestellt. Die heftige Diskussion um die neu eingeführte Altersgrenze, nach der die Kassenzulassung mit Beginn des 68. Lebensjahres automatisch erlischt, wurde mit einer selten groben Emotionalität geführt. Sie ließ ahnen, wie viele Ängste bei dieser Thematik in uns Ärzten angerührt werden. lm Hintergrund steht die mögliche Überidentifikation mit dem Beruf, als ob wir nicht erst Mensch seien und dann Arzt, als ob das Wertvollste des Ichs verloren ginge, wenn wir die Berufsrolle ablegen.

Wenn Helfen zum Hindernis wird

Ist es nach 30 bis 40 Jahren beruflichen Helfens nicht mal genug? Lohnt es sich so wenig, all die Hinwendung und Aufmerksamkeit, die wir jahrzehntelang unseren Patientinnen und Patienten gegeben haben, am Ende ausschließlich auf uns und unsere Angehörigen zu verwenden? Alfred Hoche schrieb in seinen Lebenserinnerungen “Jahresringe”, nach vielen fleißigen Jahren als wohlbestallter Professor bedeute die Emeritierung für ihn das Recht “endlich einmal nur noch Mensch zu sein”. Das erleben viele Kollegen anders. Aus analytischer Sicht wird öfter beobachtet. dass Ärzte sieh auch deswegen schlecht von ihren Patienten trennen können, weil sie diese brauchen zur Abwehr eigener Trennungs- und Todesängste. So sehr also helfen etwas zutiefst Befriedigendes ist, so sehr kann es im Alter zum Hindernis werden, wenn man sich ausschließlich darüber definiert.

Neues Verhältnis mit dem alten Partner

Bedingt durch hohen Stress, mangelnde Freizeit, einseitiges Aufgehen in der Rolle als Helfer steht es um die partnerschaftlichen Beziehungen von Ärzten nicht zum besten (vgl. auch MMW Nr. 512000). So mancher Arzt, manche Ärztin geht mit der Pensionierung zunächst mit einer gewissen Angst auf die Suche nach dem, was die Partnerschaft noch zusammerihält, nicht wenige haben zu diesem Zeitpunkt längst innerlich resigriiert. Es kann sehr schmerzlich sein, nach langer Ehe festzustellen, ich habe mich oft mehr um die Patieriten als um meine Angehörigen gekümmert.

Bevor die tollen Reisen und Kreuzfahrten dann genossen werden könneri, braucht es einiges an Beziehungsklärung, Demut und Ehrlichkeit sowie Mut, um miteinander Neues zu wagen. Manches aber ist auch ganz vorbei, wie die Entwicklung, das Großwerden der eigenen Kinder. In meinen Einzeltherapien mit Ärzten höre ich viel zu oft von weitgehender Entfremdung zwischen Ärzten/innen und ihren Kindern. Diese sind dann materiell oft sehr verwöhnt und anspruchsvoll, wirkliche Nähe wird aber nicht mehr ohne weiteres zugelassen.

Beruflich engagierte Menschen ordnen oft das Private, den Bereich der inneren Entwicklung dem Erfolg unter. Innere Erschütterungen gibt es meist schon in der Mitte des Lebens, sicherlich aber, wenn der Beruf wegfällt. Viele Selbstständige, Anwälte, Steuerberater, aber auch Ärzte fallen nicht selten ins Leere, finden es schwer, dem Leben jenseits des Berufes einen Sinn zu geben.

Kreativität verhindert den Sturz in die Leere

Selbst wenn die jetzige Arztgeneration beim Ausscheiden aus dem Berufsleben überwiegend materiell gut bis sehr gut da steht – nur immer zu reisen, zu konsumieren reicht für innere Zufriedenheit auf Dauer kaum aus. Wie aber lernt Arzt/Ärztin wieder, lang vergessene innere Gefühle, Träume, Sinnhaftigkeit für sich zu entdecken? Mühsam, geduldig, langsam und unter mancherlei Ängsten und Tränen kann es gelingen. Es geht auch um nicht erfüllte Jugendträume, nur lassen sich diese nicht eins zu eins in den dritten Lebensabschnitt übertragen. Dazwischen liegt ein schaffend gelebtes Leben, das Ich ist ein anderes geworden. Unter Umständen muss der Arzt auch erst mal trauern über all das, was vorbei ist, nicht erlebt, nicht wiederholbar ist. Hilfreich ist oft die Beschäftigung mit Kunst und Kreativität, hier lassen sieh auch für Ungeübte Ausdruckswege finden, Bilder, Strukturen schaffen, die Erkenntnis und Befriedigung bringen.

Abenteuerliche Selbstmedikation

Um die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung alternder Ärztinnen und Ärzte steht es schlecht. Weitgehend dominiert eine – z. T. abenteuerliche Selbstmedikation, Fehlattributierung psychischer Symptome als Folge somatischer Krankheiten oder des Altersprozesses per se – mit entsprechendem therapeutischem Nihilismus. Ebenso wie die meisten anderen älteren Menschen beschreiten auch Ärzte selten psychotherapeutisch wirksame Wege. Eine rein pharmakologische Antwort, oft in Form von Tranquilizern, hilft aber auch dem alternden Arzt nicht auf Dauer.

Folgeerscheinungen dieser Unterversorgung sind:

  • Unerkannte depressive Phasen
  • Verstärkter Alkohol und Medikamentenmissbrauch bis zur manifesten Abhängigkeit
  • Protrahierte Enttäuschungs- und Trauerreaktionen
  • Suizidale Krisen.

Warum depressive Ärzte sich nicht selbst behandeln sollen

Depressionen kommen in jedem Lebensalter und Beruf vor – auch bei alternden Ärzten. Sie sind heute meist gut behandelbar – durch die modernen Antidepressiva (SSRI) stehen wirkungsstarke und nebenwirkungsgünstige Präparate auch für ältere Menschen zur Verfügung.

Ohne entsprechende fachliche Hilfe sind depressive Syndrome erhebliche Belastungen der Lebensqualität, von einer Selbstmedikation sei ausdrücklich abgeraten! Wie erlebt man eine Depression als Arzt, als Psychiater gar? Die subjektive Innenansicht hat der Holländer Dr. Piet Kuiper in seinem Buch “Seelenfinsternis” eindrücklich biographisch geschildert.

Aus den Erfahrungen in meiner Praxis muss ich darauf hinweisen, dass es besonders am Anfang viel Geduld und auch Überzeugungskraft braucht, um an die depressiv erkrankten Kollegen heranzukommen und ihre Einwilligung für eine qualifizierte Behandlung inklusive Antidepressiva zu erhalten. Die Verbesserungen an Lebensqualität sind eindeutig. Oft ist auch – zumindest für einige Zeit – eine begleitende stützende Psychotherapie indiziert. Auf ähnliche Erfahrung verweist auch der kanadische Psychiater Dr. Michael Myers, der sicher einer der weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet ist.

Aus der Praxis in die Sucht

Ein deutliches Risiko zur Ausbildung einer Alkohol- u./o. Medikamentenabhängigkeit besteht für Ärzte/innen aller Altersgruppen (Gottschaldt, Mäulen). In einer eigenen Untersuchung von stationär in der Oberbergklinik behandelten abhängigen Ärzten waren von 400 abhängigen Ärzten/innen 9% älter als 60 Jahre. Vom Suchtmittel her dominierte Alkohol gefolgt von Alkohol und Tranquilizern. Nicht selten stand die Entwicklung oder Verschlechterung der Abhängigkeit auch im Zusammenhang mit der Leere nach der Pensionierung.

Eine effektive Hilfe ist auch hier möglich, bedarf aber in der Regel eines stationären Settings, vorzugsweise in einem Haus mit spezieller Erfahrung in der Behandlung abhängiger Ärzte/innen.

Gespräche gegen Trauer und Enttäuschung

Keine Frage – die Verluste, die sich mit dem Abschied vom Arbeitsleben, von Patienten, den Kollegen und weiteren Mitarbeitern ergeben, die ausbleibende Zufuhr von Lob, Anerkennung und Bestätigung stellen eine große Herausforderung an das Ich, beanspruchen die inneren Regulationsprozesse erheblich. Gibt man sieh als Arzt aber genügend Zeit, so sind diese Verluste auch im Alter durchaus zu verarbeiten. Leider scheitern aber auch diverse Kolleginnen und Kollegen an dieser Klippe, fixieren sich immer mehr auf die eingetretenen Verluste, negieren vorhandene Ressourcen und erleben sieh bzw. den Alltag nur noch defizitär.

Dabei braucht es oft nur wenige Gespräche, Anregungen und Unterstützung im Ausdruck blockierter Emotionen (Trauer, Hass, Selbsthass, Scham, Wut), um mit den betroffenen Kollegen zu neuen Lösungen zu kommen.

Suizid: ältere Kassenärztinnen sind besonders gefährdet

Grundsätzlich werden Suizide mit höherem Alter häufiger, in der Methodenwahl härter und sie verlaufen ungünstiger (Wolfersdorf, Wächtler), wobei Verwitwete besonders gefährdet sind. Auch hier gibt es keine Hinweise, dass wir als Ärzte geschützt wären, im Gegenteil. A. Bämayr fand in seiner Studie von 119 deutschen Ärzten und Ärztinnen, die sich suizidiert hatten, auch für die Altersgruppe der 65-74jährigen eine höhere Suizidrate als in der Allgemeinbevölkerung gleichen Alters. Ein besonders hohes Suizidrisiko ermittelte er für ältere Ärztinnen.

Gegenüber Krankenhausärzten hatten Ärzte/innen, die aus eigener Praxis ausgeschieden waren, eine höhere Suizidrate. Nun sagen Statistiken nichts über das dahinter stehende Maß an Verzweiflung. Es gehört für mich auch heute noch mit zu dem Belastendsten, wenn mir ein Kollege seinen Suizidversuch, seine Gefühle vorher, während des suizidalen Geschehens und danach erzählt. Wird die Todesart Suizid bei einem Kollegen bekannt, so müssen die Angehörigen u. U. mit erheblicher Ausgrenzung durch die anderen Ärzte rechnen. So erging es Frau E. Meixner-Wülker nach dem Freitod ihres Mannes. Sie war von dieser Erfahrung so erschüttert, dass sie eine bis heute sehr aktive Selbsthilfegruppe für Angehörige nach dem Suizid gründete (AGUS).

 

Videos suizidaler Kollegen auf dem Kongress

Dr. Michael Myers aus Kanada hat Arztpatienten vor der Kamera von ihren Suizidversuchen berichten lassen sowie Angehörige von Ärzten nach Suizid. Er zeigt dieses Video auf Arztkongressen, um anderen Ärzten/innen, die innerlich verzweifelt mit ihrer suizidalen Not ringen, Hilfsangebote zukommen zu lassen, bevor es zu spät ist.

Die innere Not und suizidale Einengung (Ringel) eines Arztes wird bewegend in dem Buch “Östlich der Berge” von Guterson erzählt: Ein älterer, verwitweter Herzchirurg beschließt sich zu suizidieren, bereitet alles aufs Sorgfältigste vor, damit es wie ein Unfall aussieht. In der Tat werden Suizide von Ärzten öfters als ,,natürliche Todesursache” fehlklassifiziert, ob aus Rücksichtnahme vor dem verstorbenen Kollegen, den Angehörigen oder sonstigen Ursachen bleibt offen.

 

Die große Herausforderung kommt mit 68

Altern ist in der Tat eine Herausforderung für Ärzte und Ärztinnen. Auch ein ganzes Leben voller Arbeit und Helfen erspart uns nicht, unsere “Hausaufgaben” zu machen, damit wir ein Höchstmaß an Reife und Menschlichkeit erreichen und unser Leben bis zum Tod als gelungen wahrnehmen können. Nötig ist dazu der Entschluss, sich auch um sich zu kümmern, der Mut alte, vernachlässigte Teile wieder zu entdecken, verschüttete Gefühle zu beleben und zu ertragen. Erikson beschrieb den letzten Lebensabschnitt ais Phase, in der Menschen um lntegrität versus Verzweiflung ringen. Egal wie viel wir in unserem Leben als Arzt geleistet haben, diese neue Bewältigung fordert uns ganz heraus.

Dr. Bernhard Mäulen

 

Den Ruhestand schon heute vorbereiten

  1. Konfrontieren Sie die eigene Blindheit und Trägheit! Machen Sie sich klar: ,,Es wird mir keinen Deut besser gehen als meinen Patienten, wenn ich nicht das selber tue, was ich meinen Patienten rate.” Dies ist i. d. R. Sport, Bewegung, gesunde Ernährung, ein Hobby und die Pflege von sozialen Kontakten. Erstaunlicherweise wenden viele Kollegen dieses Wissen wenig auf sich an.
  2. Planen Sie den Ausstieg aus dem Berufsleben kreativ. Viele Kolleginnen/ Kollegen vertragen den abrupten Wegfall der Berufsrolle schlecht. Bauen Sie beizeiten Fähigkeiten auf, Körper und Seele zu pflegen und zu trainieren. Machen Sie sich klar, dass Sie das auch etwas kostet (weniger Arbeitsstunden, weniger Umsatz, mehr Fehltage, Teilzeitlösungen etc.). Und doch gewinnen Sie unter dem Strich, weil Sie balancierter und lebendiger leben gelernt haben, wenn der Tag X kommt.
  3. Wenn Sie die ärztliche Tätigkeit auf keinen Fall loslassen wollen, suchen Sie sich neue Betätigungsfelder, ehrenamtlich, im Ausland oder in Aus- und Weiterbildung. Nehmen Sie weiterhin an der Fortbildung teil, sie freuen sich über die kollegialen Kontakte, bleiben weiterhin im Fachwissen und müssen die Arztrolle nicht ganz aufgeben.
  4. Gehen Sie nach dem Ausscheiden aus der Arbeit auf Entdeckungsreisen – inneren wie àußeren. Was ist aus Ihnen geworden, mögen Sie diese Person? Sind Sie zufrieden mit Ihrem Lebenswerk? In welche Richtung wollen Sie noch wachsen, was fehlt, damit Sie zufrieden mit sich sind?
  5. Machen Sie als alternder Mensch ihre phasenspezifischen ,,Hausaufgaben”:
    1. Ordnen Sie ihren persönlichen Bereich so, dass Sie der nachfolgenden Generation keine unnötige Last und Bürde aufbinden.
    2. Denken Sie über Botschaften nach, die Sie Ihren Angehörigen geben wollen. Wie habe ich mein Leben gelebt, welche Werte und Erfahrungen gebe ich weiter…
    3. Räumen Sie alte und unerledigte Beziehungskonflikte ,,auf”. Die meisten Menschen halten bis ins hohe Alter an Konflikten, erlebten Kränkungen etc. fest. Dies kostet intrapsychisch viel Kraft und erschwert einen friedlichen Abschied. Versuchen Sie, Versöhnung und Ausgleich zu erreichen.
    4. Schauen Sie sich an, welche Fehler Sie im Laufe des Lebens gemacht haben. Hier geht es um Schuld, Vergebung, ggf. auch Wiedergutmachung.
    5. Entwickeln Sie Werkzeuge der Kontemplation wie z. B. Tagebuch schreiben, Meditation oder Gebet. Bei nachlassenden äußeren Möglichkeiten sind solche inneren Werkzeuge oft der einzige Schutz vor Verzweiflung und Angst.
    6. Sehr herausfordernd (aber es gibt sie, die mutigen älteren Kolleginnen und Kollegen): Schreiben Sie Ihren eigenen Nachruf. Führen Sie das, was Rabbi Zalman Schachter-Shalomi ein inneres Gespräch mit dem Engel des Todes nennt, wie Sie es sich im Moment Ihres Ablebens wünschen würden. Achten Sie auf alles, was dabei aufsteigt, Ihnen zeigt, woran Sie noch arbeiten können, um zu immer tieferem Frieden und Einverständnis zu kommen.

Nach der Praxis kam die Verzweiflung

  • Ein 70-jähriger Allgemeinmediziner, der nach Aufgabe seiner Praxis und Scheidung allein im großen Haus lebt, vereinsamt immer mehr, er wird schwer depressiv und muss stationär behandelt werden.
  • Ein 68-jähriger Chirurg steigert nach seiner Pensionierung den Alkoholkonsum so, dass binnen kurzem eine Alkoholabhängigkeit manifest wird, die eine klinische Behandlung erfordert.
  • Eine 75-jährige Internistin ohne größere somatische Probleme nimmt massive Dosen selbstrezeptierter Analgetika, weil sie die Einsamkeit und Langeweile sonst nicht erträgt. Sie wird mit einem akuten Verwirrtheitszustand eingeliefert.
  • Ein 62-jähriger niedergelassener Orthopäde wird nach einem Suizid zu Hause erhängt aufgefunden. Nach dem Tod seiner Frau war es ihm nicht gelungen, alleine eine Chance zum Weiterleben zu finden. Er schaffte es leider nicht, einem Freund oder dem Psychiater, der ihn früher behandelte, ein Notsignal zu geben.

Psychodynamische Aspekte des Alterns für Ärzte (mod. nach Reimer)

  • Wegfall der Berufsrolle Arzt und Neuregulation des Ichs ohne das Sich-um-andere-Kümmern
  • Erinnern und Verarbeiten gemachter Fehler, insbesondere im Arztberuf
  • Erleben und Verarbeiten des Anteils nicht gelebter privater Wünsche, Träume, Beziehungen, die immer auf “später” verschoben wurden
  • Erleben und Verarbeiten von Trennungen und Verlusten
  • Erleben und Verarbeiten von Enttäuschungen, Kränkungen, Bedrohungen
  • Erleben und Verarbeiten von Alterstabus (Suizid, Sexualität)

MMW – Fortschritte der Medizin, Nr. 14, 6. April 2000, S. 4-10