Arzt am Pranger – MMW Juni 2000

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Behandlungsfehler und die Folgen

Arzt am Pranger

Wenn Ärzte irren, können die Folgen nicht nur für die Patienten fatal, sondern auch für die betroffenen Kollegen tragisch sein. Hier werden bisweilen Existenzen vernichtet. Der Psychiater B. Mäulen zeigt im folgenden Beitrag, wie Ärzte mit der eigenen Fehlbarkeit besser umgehen können und gibt Hilfestellung zur Schadensbegrenzung bei echten oder vermeintlichen Behandlungsfehlern. Von einer Klage betroffene Kollegen und Kolleginnen erhalten überdies Tipps zur Kriesenbewältigung sowie Vorschläge zur Selbsthilfe.

Die Ansprüche der Patienten an Ärzte werden immer zahlreicher, die Schere zwischen dem, was die Medizin kann, und dem, was in der Praxis als ausreichend und zweckmäßig bezahlt wird, öffnet sich immer weiter. Kommt es zu einem Schaden, wehren sich immer mehr Patienten erfolgreich, die Patientenschutzbünde schließen sich gegenwärtig zu einem nationalen Forum zusammen, die Politiker stärken die Rechte der Patienten und die Krankenkassen richten Beratungsstellen ein, um Patienten bei vermeintlichen Kunstfehlern den Weg zu einem Schadenersatz zu weisen. Müssen wir Ärzte angesichts dieser Entwicklung, “die Wagenburg zur Rundumabwehr” schließen oder werden wir Partner in einem konstruktiven Umgang mit den Fehlern und Opfern dieser Fehler?

Mit den eigenen Fehlern offener umgehen

Im Gespräch mit betroffenen Kollegen und im Austausch mit Richtern habe ich immer wieder gesehen: Die jetzige Ärztegeneration begreift sich bestenfalls in Ansätzen als Dienstleistende, deren Tun regelmäßig auch kritisch und vor Gericht geprüft wird. Jeder Handwerker rechnet mit einem bestimmten Prozentsatz an Regressen, wir Ärzte spalten hier unsere eigenen Fehlbarkeit in enormer, ja fast narzisstischer Weise ab. Kommt es zur Klage, fühlen wir uns im Kern bedroht und reagieren emotional über. Sowohl individuell als auch kollektiv fehlt uns eine vorausschauende Bewältigung der Grenzen des eigenen Könnens. Dabei sind sich alle Experten einig: Es reicht nicht, gut haftpflichtversichert zu sein, wir müssen auch persönlich verantwortlich sein und lernen, mit möglichen Fehlern umzugehen. Was also sind die Voraussetzungen für einen offeneren Umgang mit den Fehlern von uns Ärzten?

  • Bei allem Bemühen werden wir weder in der Medizin allgemein noch individuell persönlich fehlerfrei arbeiten. Besser als ein unerfüllbares Berufsideal von Perfektion zu kultivieren ist es, die eigenen Grenzen zu sehen und anzuerkennen, die eigene Fehlerhaftigkeit zu akzeptieren.
  • Wir müssen aufräumen mit der mentalen Fehlattributisierung: Wer als Arzt einen Fehler macht, sei ein schlechter Arzt. Vielmehr machen auch fähige Kollegen Fehler. Mit der gewachsenen Erfahrung, der Ausweitung der Praxis, der hierarchisch höheren Position, ja sogar mit der Zahl der akademischen Ehren steigt die Wahrscheinlichkeit, verklagt zu werden.
  • Wir Ärzte müssen lernen, untereinander offener über Fehler zu reden! Wir brauchen die Erlaubnis, die Geduld und das kollegiale Verständnis anderer in diesem Prozeß. Damit meine ich nicht, das eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, also Fehler vom System vertuscht werden. Vielmehr geht es um die breitere Diskussion des Umgangs mit Fehlern, das Hineinnehmen in Ausbildungscurricula, ggfs. Auch in die Niederlassungsberatung sowie in die Fortbildung der in der Praxis tätigen Kollegen.
  • Neben der individuellen Verantwortung und Verarbeitung ärztlicher Fehler ist eine systemische Veränderung nötig ( und wird durch die aktuelle Rechtsprechung auch unumgänglich): Die kontinuierliche Optimierung von Praxisteams/Praxis- und Klinikorganisation Richtung Fehlerminimierung. Das bedeutet konkret beim Auftreten eines Fehlers in der Medizin:
    • den Fehler analysieren
    • denselben Fehler in der Zukunft vermeiden
    • allgemein gefährliche Situationen erkennen und vermeiden

Wenn etwas schiefgeht – wie reagieren Sie?

Verklagt zu werden ist für die meisten Ärzte ein Trauma! Das emotionale Gleichgewicht geht verloren. Je nach Persönlichkeit und Art der Schädigung kommt es zu verschieden schwer wiegenden Folgeerscheinungen (Tabelle 1). Größere Untersuchungen an betroffenen Ärzten zeigen, dass die Mehrzahl von ihnen zumindest über einen gewissen Zeitraum negative Veränderungen an sich und ihrem Umfeld feststellen. Einige Kollegen sind krisenfester als andere, manche brechen innerlich zusammen, andere ” legen ihre Gefühle auf Eis” und arbeiten stur weiter. Andere – etwa solche mit einer zusätzlichen privaten Krise oder einer Suchterkrankung – müssen mit erhöhter Vulnerabilität rechnen. (Risikogruppen in Tabelle 2 auf S. 8) Die Reaktionen der Ärzte (und Krankenhäuser) nach einem Zwischenfall durchlaufen häufig gewisse Phasen:

1. Nicht wahrhaben wollen Betroffene äußern: “Das kann nicht sein, das ist ausgeschlossen, so etwas kann mir nicht passieren” (Verleugnung). Es kommt zu Rückzugsverhalten und Isolation. Seitens der Institution Praxis oder Klinik wird jeder Fehler bestritten, dem Patienten oder dritten wird die Schuld gegeben, statt Überprüfung der eigenen Handlungen und Feststellen der Fakten wird pauschal erklärt: “Alle Beteiligten haben zu jeder Zeit ihr Bestes gegeben.”

2. Zorn Wenn Patienten, Anwälte, Medien etc. hartnäckig den Fehlervorwurf aufrecht erhalten, kommen u. U. aggressiv Getönte Gedanken: “Die wollen nur Geld, jemand will mich fertig machen etc.”.

3. Verhandeln Eigenes Mitbeteiligtsein am Fehler wird zögernd und schrittweise zugegeben: “Vielleicht war die Aufklärung / Dokumentation / OP nicht ganz optimal, aber ich / wir hatten einen schweren Tag, überraschend ist ein Mitarbeiter krank geworden, der Krankheitsverlauf war untypisch, das OP-Feld war besonders unübersichtlich, mit so etwas konnten wir nicht rechnen etc.

4. Niedergeschlagenheit Die Gedanken an den Prozess verdrängen alles andere und werden immer negativer: “Das ist mein berufliches Ende, der Richter, die Anwälte, die Medien machen mich fertig, die Kollegen werden mich verachten etc.” Die Kollegen fühlen sich sehr depressiv, einige fassen den Entschluß ihren Beruf aufzugeben oder das Facharztgebiet zu wechseln, u. U. erfolgt eine krisenhafte Zuspitzung mit Suizidalität.

5. Akzeptanz der Situation: Schrittweise stellt sich das emotionale Gleichgewicht wieder ein, man kann sehen, dass man auch nach einem ( schweren) Fehler weiterarbeiten kann und darf, dass die juristischen / psychischen und finanziellen Folgen zu übersehen sind. Die obigen fünf Phasen ähneln denen, die Dr. Elisabeth Kübler-Ross bei Sterbenden beschrieben hat. In beiden Situationen muss die Psyche mit einer subjektiv stark bedrohlichen Realität zurecht kommen.

Parteien vor Gericht

Ist ein Schaden entstanden und kommt es zu einer Gerichtsverfahren, so stehen verschiedene Parteien mit kontrastierenden Bedürfnissen einander gegenüber: Arzt, Patient, Anwälte, Haftpflichtversicherung. Gelingt es nicht, einen Ausgleich für alle zu finden, drohen lange Verfahrenszeiten. So gibt es Situationen, in denen der Arzt seinen Fehler zugibt und mit dem Geschädigten einen schnellen, großzügigen Prozessausgang anstrebt, womit die Haftpflichtversicherung i. d. R. nicht einverstanden ist. In anderen Fällen ist es der Wunsch des Arztanwaltes, dass der verklagte Arzt nichts ohne unternimmt und ansonsten “den Mund hält”, wogegen der Arzt am liebsten jeden sofort von seiner Unschuld überzeugen will. Die Wünsche der Patienten bzw. ihrer Angehörigen sind nicht primär die nach einer hohen Geldsumme, sondern vielmehr, dass der Arzt für einen Fehler einsteht und Verantwortung übernimmt, manchmal auch, dass er bestraft wird. Patient und Arzt wünschen sich ein schnelles Verfahren, Haftpflichtversicherer und – bei entsprechender Publizität des Falls in den Medien – auch die Anwälte häufig eine längere Prozessdauer. Versicherer wollen naturgemäß viele Freisprüche bzw. Verfahrenseinstellungen, da sie nur so niedrige Prämien anbieten und gegenüber der Konkurrenz bestehen können.

Checkliste für den Notfall

Gerade weil die emotionale Reaktionen so stark sind, verpassen viele Kollegen nach einem Schadensereignis die Chance der Korrektur bzw. der Schadenseingrenzung. Dabei kann jeder Arzt mit einer Art Checkliste dafür sorgen, dass bei einem Notfall bzw. Fehler zweckentsprechend vorgegangen wird. Nachfolgend einige Vorschläge, die je nach Praxis Klinik variiert werden müssen:

  1. Sorge um den Patienten und seine Angehörigen
  2. Sorge um sich selbst als Arzt
  3. Administrative bzw. juristische Schritte
  4. Fehlerprophylaxe für die Zukunft

Erster Schritt: Sorge um den Patienten

An erster Stelle steht die Sorge um den Patienten: persönliche Ansprache, gründliche Untersuchung, ggfs. Hinzuziehung weiterer Ärzte, Anordnung weiterer Maßnahmen, engmaschige Betreuung völlig unabhängig von irgendeiner Schuldfrage, intensive Bemühung um den Patienten und sein Wohl. Zum Ausdruck von Anteilnahme und Sorge gehört auch, dass Sie oder jemand aus Ihrem Team sich um die Angehörigen bemüht. Was die Wahrscheinlichkeit einer späteren Klage angeht, werden sehr oft an diesem Punkt die meisten Chancen verspielt, denn die allermeisten Patienten, die sich geschädigt fühlen und klagen, berichten, dass sie die Anteilnahme, die aktive Bemühung und Betroffenheit des Arztes am stärksten vermisst haben. Daraus entsteht oft ausdauernder Groll. Allzu oft haben Geschädigte den Eindruck: “Die (Ärzte, Pflegekräfte, Sanitäter etc.) haben ab dem Zeitpunkt X alle nur noch versucht, Ihre Haut zu retten.”

Zweiter Schritt: Sorge um sich selbst

An zweiter Stelle steht die Sorge um sich selbst als Arzt bzw. um nachgeordnete Ärzte/innen und Pflegekräfte, evtl. das Behandlungsteam. Ein Fehler, eine drohende Klage bringt uns als Helfer in Not. Oft gelingt es, sich nach dem ersten Schock wieder zu fangen, nicht alle der nachfolgenden Vorschläge sind in jedem Falle nötig. Trotzdem soll zunächst auf die Tabelle 3 hingewiesen werden.

Ziehen Sie andere ins Vertrauen!

Nach einem Fehler, der einen Patienten schädigt, nach Kenntnisnahme von einer Klage können unmittelbare Führung, Stützung ggf. auch direkte Handlungsanweisungen hilfreich sein. Während Klinikärzte sich durch eine telefonische Beratung mit dem Diensthabenden oder Chef Unterstützung holen können, sind Niedergelassene auf kollegiale Unterstützung angewiesen. Hier braucht es den Mut, sehrfrüh einen vertauten oder befreundeten Kollegen um Unterstützung zu bitten. Meist ist die Angst um Scham jedoch zu groß, um diesen wichtigen Schritt zu tun, Dabei kann das Gespräch z. B. mit dem Chefarzt der nahe gelegen Klinik oft wichtige Hilfen geben. Passiert der Fehler in der Klinik, dann geht es auch um die Überprüfung, ob der in den Behandlungsfehler verwickelte Arzt noch weiter arbeiten kann, oder erst mal pausieren muss. Sorge um die Mitarbeiter heißt auch, dass nach einem gravierenden Fehler die Betroffenen nicht sofort abgestraft, nicht unnötig bloßgestellt oder beschämt werden. Mit etwas Abstand kann dann eine Aufarbeitung des Fehlers gelingen, unmittelbar bei dem Ereignis sind die Beteiligten i.d.R. so schwer psychisch belastet, dass weiterer Druck nur schadet. Offen bleibt, welche Art von Unterstützung man selbst oder betroffene Mitarbeiter brauchen, um mit Schuldgefühlen und realer Schuld umzugehen. Hier kann früh einsetzende Supervision, einige Gespräche mit einem Vertrauten oder therapeutischen Helfer eine bleibende Beeinträchtigung des Berufslebens und er beruflichen Lebensqualität reduzieren. Es braucht Zeit, um einen eigenen Weg zwischen geradliniger offener Verarbeitung in Ehrlichkeit und maximaler Verleugnung, Orientierung an dem. Was juristisch nützlich ist, zu gehen. Oft sind andere Ärzte, die durch einen Prozess und Verurteilung durchgegangen sind, die einfühlsamsten Zuhörer. Derzeit gibt es Bestrebungen, eine Selbsthilfegruppe bzw. ein Unterstützungsnetz auch in Deutschland aufzubauen.

Administrative und juristische Schritte

Hierzu gehören die genaue Feststellung des Geschehensablaufs, Kopie und Sicherstellung der Karteikarte bzw. Krankenkarte, vorläufig Einschätzung des möglichen Fehlers, eine praxis- bzw. abteilungsinterne Besprechung, wenn nötig die Information der weitern diensthabenden Ärzte, u. U. die Vorbereitung einer schriftlichen Stellungsnahme für Behörden oder Medien und die Meldung an die diversen Versicherungen.

Aus den Fehlern lernen

  • Bilden Sie sich regelmäßig in Haftungsfragen, Aufklärung etc. fort. Geeignete Seminare bieten u. a. die Versicherungen an, z. B. die DBV Winterthur, München.
  • Regelmäßige Qualitätssicherung, Mitarbeit in Qualitätszirkeln.
  • Abteilungsspezifische Fehlerkonferenzen.
  • Nach einem Fehler Maßnahmen durchführen, damit der Fehler so nicht mehr auftraten kann.
  • Für Kliniken: regelmäßige Risiko aufdeckende interne Revision bzw. interdiziplinäre Visiten.
  • Incident reports: ungefilterte, anonyme schriftliche Meldung aller Situationen, die von den Mitarbeitern für gefährlich gehalten werden.
  • Schriftliche Festlegung so genannter Hausstandards, wie in bestimmten Situationen vor- Zugehen ist.

Ein besserer Umgang mit Fehlern wird nicht über Nacht gelingen, er Wird zunächst auch gegen innere Widerstände Thematisiert und umgesetzt werden müssen. Dazu können auf Konferenzen, bei Treffen von medizinischen Fachgesellschaften , in der Mittwochsfortbildung der niedergelassenen Kollegen entsprechende Fallbeispiele diskutiert werden. In den lokalen und überregionalen Ärzteorganisationen könnten Ansprechpartner/innen für von einer Klage betroffene Kollegen benannt werden.

Ärzte auf der Anklagebank

Es kann jeden treffen:

  • Sie verordnen für eine Patientin eine Bestrahlung der Haut für 40 sec. Ihre erst kürzlich eingestellte Arzthelferin stellt aus Versehen 40 Minuten ein; die Patientin stirbt.
  • Sie kommen als Notarzt zu einem Kind, dessen Gesicht durch einen Autounfall schwer verletzt ist. Bei unübersichtlichen Verhältnissen intubieren Sie in die Speiseröhre, das Mädchen Stirbt.
  • Bei einem Patienten mit Bronchialkarzinom wird der gesunde Lungenflügel herausoperiert; obwohl zahlreiche medizinische Mitarbeiter involviert waren, bleibt der Schuldvorwurf am Operateur hängen.
  • Ein Patient ist mit Ihrer Therapie unzufrieden und kann mithilfe einer Notgemeinschaft Medizingeschädigter seinen Fall zu Ihren Lasten ausgiebig in der Presse darstellen. Sie sind von allem so überrascht und aufgebracht, dass sie verbal Fehlreagieren und dadurch noch zusätzlich “ins Messer laufen”.
  • Sie können bei einem Patienten, der wiederholt mit Fieber und Schmerzen zu Ihnen kommt, trotz mehrfacher Nierensonographie nichts Pathologisches erkenne. Nach drei Wochen muss notfallmäßig nephrektomiert werden. Der Patient klagt und meint, Sie haben fehlerhaft diagnostiziert.
  • Sie bekommen ein Schreiben der KV, das Ihnen überhöhte Abrechnung und Verordnung vorwirft. Auch im Plausibilitätsgespräch gelingt es Ihnen nicht, einen Regress abzuwenden. Die finanziellen Folgen sind erheblich, sie wollen sich juristisch wehren, sind zugleich zutiefst verunsichert, ob sie als Arzt überhaupt noch weiterarbeiten wollen.

Tabelle 1

Mögliche Folgen einer Klage

Körper Schlafstörungen, Appetitverlust, Kopfschmerz, Magenbeschwerden bis zum Ulkus, sonstige Schmerzen, diffuse Verspannungen.

Gefühl Emotionale Lähmung, heftige Aggressionen, Niedergeschlagenheit bis zu reaktiven Depression, Suizidgedanken.

Beruf Verlust von Arbeitsfreude, Zweifel an der ärztlichen Kompetenz, Verlust der gewohnten Routine, defensives Vorgehen in Diagnostik und Therapie, starke Befangenheit gegenüber Patienten und Mitarbeitern, Wunsch “alles hinzuschmeißen”.

Privat Abkapselung in der Ehe/Familie, vermehrte Partnerkonflikte wegen erhöhter Reizbarkeit, vorübergehende Einschränkung des sexuellen Interesse.

Tabelle 2

Risikogruppen, die besondere professionelle Hilfe benötigen:

  • Ärzte/innen, deren gesamte Existenz durch eine Berufsklage gefährdet erscheint (Kündigung, extreme Rufschädigung, finanzieller Zusammenbruch).
  • Ärzte/innen, die mit Namensnennung in Presse und Fernsehen eines Vergehens beschuldigt werden.
  • Ärzte/innen mit psychischen Vorerkrankungen (Depression, Sucht, Suizidversuche).
  • Ärzte/innen, bei denen zeitgleich eine Private Krise (Tod, Trennung, Scheidung, negatives life event sonstiger Art) die Psychische Belastungsfähigkeit mindert.

Tabelle 3

Psychologische Hilfe für Ärzte bei Berufsklagen

  • Den ersten Schock überstehen: Sich entlasten, schützen, Flüssigkeit zu sich nehmen, Ruheorte aufsuchen, mit vertrauten Menschen zusammen sein.
  • Das Vorgefallene erinnern und ordnen (sachlich, personell, medizinisch), aufschreiben und einem fachkundigen Kollegen erzählen.
  • Gefühle äußern (Wut, Schmerz, Trauer, Selbsthass, Scham, Schuldgefühle, Angst).
  • Allgemeiner Stressabbau (Sport und körperliche Betätigung, vernünftige Ernährung, Weglassen zusätzlicher Noxen, Entspannungsverfahren z. B. autogenes Training).
  • Kollegiale Unterstützung gewinnen, zuhören, wie andere ähnliche Situationen gemeistert haben.
  • Aktiv im Verteidigungsprozess mitmachen (das reduziert Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht und erhöht das Verständnis für die juristische Sichtweise, die sich u. U. von der medizinischen sehr unterscheidet).
  • Rechtzeitig professionell Hilfe aufsuchen, wenn möglich bei einem Psychotherapeuten mit Erfahrung in der Behandlung psychischer Traumata.
  • Bei Exposition in den Medien ggfs. Einen eigenen Pressesprecher einschalten.
  • Sich während der Dauer des Verfahrens innerlich auf positive und negative Ausgangsmöglichkeiten vorbereiten.

Tipps und Adressen

  • Hilfe und Rat durch Fachanwälte: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht, Wegenerstraße 5, 71063 Sindelfingen.
  • Berufsverbände Ihrer Facharztgruppe: Häufig gibt es hier Unterstützung und Rat, allerdings nur für Mitglieder.
  • Zuständige Ärztekammer: Die Ärztekammern geben oft unkompliziert erste Hinweise und bemühen sich um individuelle Lösungen bzw. vermitteln Ihnen kompetente Hilfe.
  • Selbsthilfegruppen von Ärzten unter Anklage: Zurzeit gibt es Bestrebungen zum Aufbau einer überregionalen Selbsthilfegruppe. Interessenten werden gebeten sich per E-Mail zu melden unter docmaeulen@googlemail.com oder per Brief an den Verfasser (Bitte rückadressierten und frankierten Freiumschlag beilegen)
  • Buchtipp: Hansis, M., Hansis, D: Der ärztliche Behandlungsfehler – verbessern statt streiten, ecomed Verlag.

Literaturliste

  1. Charles S: Coping with adversity – malpractice suits. Lecture at International Conference on Physician Health, Victoria, BC, Canada, April 29- May 2 1998
  2. DBV-Winterthur, Fortbildungen über Arzthaftung und Risikomanagement, pers. Mitteilung , München 2000
  3. Ehlers A: Immer neu Strafverfahren gegen Ärzte- Gefängnis für Honorarbetrug. Extracta psych.1999; 13: 14
  4. Hilfiker D: Facing our mistakes. N Engl J Med 1984; 310: 118-122
  5. KS: Plausibilitätskontrolle- der kleine Bruder des Strafverfahrens. MMW-Fortschr..Med. 1999; 141: 64-65
  6. Mäulen B: Strenges Vorgehen gegen sexuelle Übergriffe. Dt. Ärztebl 1997; 94: A 2806-2807.
  7. Mäulen B: Ärzte und Ärztinnen – Besondere Lebensumstände. In Gölz (HRSG) Moderne Suchtmedizin. Thieme Verlag 1998
  8. Mäulen B: Ärzte unter Anlage- Jeder kann betroffen sein. Dt. Ärztebl 1999; 96: A 3091-3092
  9. Marx H: Behandlungsfehler- worauf Ärzte achten müssen. Dt Ärztebl 1999; 96: A1825 -1826
  10. Mehl B: Patienten werden selbstbewußter. Schwäbische Zeitung Do. 13. 5. 1999
  11. Neumann N: Behandlungsfehlervorwurf- Fachgebiet und Risiko. Ärztebl. Bad. Würt. 1999; 5: 178-179
  12. Schnabel, Hanne: Wünsche von Patienten und Angehörigen nach einem Kunstfehler, persönliche Mitteilung, 2000
  13. Shapiro R, Simpson D et al.: A survey of sued and nonsued Physicians. Arch Intern Med 1989; 149:2190-6.
  14. Wu A, Folkman S et al.: Do house officers learn from their mistakes? JAMA 1991; 265: 2089-2094: