Ärzte und die Medien

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Ärzte und die Medien

von Dr. Bernhard Mäulen

Egal wie die Fakten ausschauen,
letztlich zählt nur das, was die Leute glauben. -Elizabeth Moon

I Einleitung

Ärztinnen und Ärzte werden oft von (Print)- Medien überhäuft. Unmöglich alles auch nur anzulesen/anzuschauen. Meist sind wir passive Nutzer der Medien, von Zeit zu Zeit aber auch Interviewpartner, Experte, gewählter Vertreter mit standespolitischen Aussagen, regional oder überregional bekannte Arztfigur. Einige wenige Kollegen und Kolleginnen sind Medienstars. Sie haben dabei leicht etwas schillerndes und werden vom Gros der Ärzteschaft teils angefeindet, teils beneidet.
Nachfolgend werden wir uns die verschiedenen Aspekte des Umgangs von uns Ärzten mit Medien anschauen, positive und weniger positive Beispiele beschreiben, Tipps zum Umgang mit den Medien geben. Es ist wichtig zu sehen, dass die Wirklichkeit für die meisten Menschen heute eine mediale ist, d.h. was nicht in den Medien vorkommt wird nicht wahrgenommen. Oft wird die falsche Behauptung in einer Zeitung von vielen geglaubt, unabhängig von der Wahrheit. Ohne eine entsprechende Gegendarstellung kann im Handumdrehen eine Praxis ruiniert, der persönliche Ruf eines Mediziners angeschlagen und die Belegungsrate eines Krankenhauses signifikant reduziert werden! Umso wichtiger für einen professionellen Umgang ist es, dass wir zumindest lokal über Zugangswege zu Medien verfügen, dass wir Chancen ergreifen, uns, unsere Arbeit in Klinik und Praxis korrekt und zugleich positiv darstellen können (Füßl)
Meine eigene Erfahrungsreise mit den Medien dauert noch an, ich habe dabei einiges an Naivität verloren und bin auch vorsichtiger geworden: So kamen vor einigen Jahren Kommentare meiner Patienten zu einem Interview mit mir, dass in einer Fachzeitschrift erschienen war. Das seltsame daran, ich konnte mich nicht an dieses Interview erinnern und bat, mir eine Kopie zuzusenden. Es stellte sich heraus, dass der Redakteur aus meinen Schriften diverse Aussagen kopiert und in ein Frage- Antwort Schema umformuliert hatte, dass er dann ohne mein Wissen publizierte, ein Vorgang, der nicht so selten vorkommt. Ebenfalls enttäuschend der Umgang von Redakteuren mit Zusagen von Vertraulichkeit, Stimm- oder Gesichtsverschleierungen: ein niedergelassener Kollege, der anonym eine Aussage machte, wurde trotz solcher Zusagen gut erkennbar dargestellt.
Natürlich, geht es um Quoten und Marktanteile, Geschichten von und mit Ärzten/Innen erreichen eine große Aufmerksamkeit, und gute Journalisten versuchen wie gute Chirurgen an das heranzukommen, was unter der Oberfläche liegt. Zugleich müssen oder wollen sie aber auch einen Markt bedienen, der vorgegebene Wahrnehmungsschemata hat. Noch immer werden Beiträge über Ärzte meist in der Polarität Held oder Schurke verfasst. Dabei enthält dieses Klischee oft wenig an Aussagen über die Realität, in der es eben mehr Zwischentöne als Extreme gibt.

II Ärztliche Erfolge in den Medien

Ärzte wünschen sich, wie die meisten Menschen, Erfolg und Anerkennung. In den Medien sichtbar zu werden, verheißt Aufmerksamkeit. Nur wenige achten dabei auf den Preis, den diese Darstellung mit sich bringt. Für niedergelassene Ärzte bieten sich viele Anlässe, positiv in der Presse zu erscheinen: eine Praxiseröffnung, die Praxis- oder Team-Erweiterung, die Einführung neuer Methoden, das 10 oder 20jährige Bestehen einer Praxis, ein neues Medizingerät, Auszeichnungen, Ehrungen, Mithilfe beim Rettungsdienst, Rotem Kreuz, karitativer Auslandseinsatz etc. kurzum, für den, der dies will, sind ein Artikel und ein Foto zumindest auf lokaler Ebene unschwer erreichbar. Auch ein selbst geschriebener Beitrag über eine gesundheitliche Besonderheit, eine Krankheit, lokale medizinische Besonderheiten sind leicht denkbar, für den der allgemeinverständlich formulieren kann.
Es sind keineswegs immer die Doktoren von der Universität, die in den Medien eine breite Resonanz finden, entscheidend dafür, ob mann/frau gedruckt oder gesendet wird ist das persönliche Thema und meist auch die richtige Ausdrucksweise, also wenig dozierend, sparsam mit medizinischen Fachausdrücken und in der Wortwahl freier, als sich der “normale Arzt” gewohnt ist auszudrücken. Das persönliche Thema ist natürlich auch eine Sache des Glücks. Die Medizin und auch die Medien haben ihre Modethemen, die für einige Jahre sehr gefragt sind, und dann oft für lange Zeit vergessen werden. Manch ein Kollege wünscht sich, mit einer neuen interessanten Methode oder Erkenntnis große Aufmerksamkeit zu gewinnen, und scheitern trotz aller Bemühungen. Andere Ärzte oder Ärztinnen werden eher wie nebenbei entdeckt, was sie schreiben oder sagen berührt aber viele Menschen. So erging es z.B. Elisabeth Kübler- Ross in Chicago. Sie war damals eine von vielen Psychiatern und durchbrach das damals herrschende Tabu über Sterben und Tod mit Patienten zu sprechen. Zufällig geriet ein Reporter des Time Magazins in eine ihrer Vorlesungen und brachte einen längeren Artikel darüber. Über Nacht wurde Kübler-Ross berühmt, ihr Buch und viele weitere danach wurden Welterfolge und sie konnte unsere Weise Sterbende in der Medizin zu behandeln wesentlich voran bringen. Der große Vorteil dieser Publizität- ihre Methoden und Gedanken wurden vielen Patienten/innen und Kollegen/innen in kurzer Zeit bekannt. Der große Nachteil, den ich als ein enger Helfer Anfang der achtziger Jahre, hautnah miterlebte: sie hatte kaum noch Ruhe, endlos klingelte das Telefon, kamen Briefe (manchmal 4000 pro Woche) wurde sie persönlich aufgesucht ja belagert.
Der andere große Nachteil, den eine solche Publizität mit sich bringt, ist der sichere Neid vieler Kollegen, die nie aufhören, ihrerseits die Medien mit herabsetzenden, überkritischen oder sonst wie beleidigenden Darstellungen oder Unterstellungen zu versorgen. Dies trifft die bekannten Kollegen, manche macht es hart und sie schlagen zurück zB Julius Hackethal, andere werden misstrauisch, ziehen sich zurück, igeln sich ein. Man sieht- zu große Publizität kostet oft einen hohen Preis. Was Anfangs wie eine Droge ist, von der man nicht genug bekommt, wird bald zum Gefängnis, aus dem mann / frau sich herauswünscht.
Nicht zu übersehen sind auch die Kollegen, die in peinlicher Weise ihren ungebremsten Narzissmus in medialer Selbstdarstellung pflegen. Viele Beispiele fallen mir ein, aber nach sorgfältiger Überlegung vermeide ich hier Namen zu nennen. Dafür bin ich mir sicher jeder Leser, jede Leserin kennt selbst den einen oder anderen. Auch zu große Wut ist manchmal abträglich. So schrieb ein an der Universität beschäftigter Kollege aus schierer Wut über seine Zuverlässigkeitsüberprüfung als Pilot an den damaligen Innenminister Schily: “Auf Grund des von Ihnen eingebrachten Gesetzes attestiere ich Ihnen als Mediziner den hochgradigen Verdacht einer paranoiden Schizophrenie, da Sie anscheinend loyale deutsche Bürger und in meiner Person doppelpromovierte Wissenschaftler als Privatpiloten kleiner Sportflugzeuge zum möglicherweise verdächtigen Terroristen degradieren” (Aopa).
III Schufte, Betrüger, Dummköpfe – Ärztliche Miß-Erfolge in den Medien

Im Archiv des Instituts für Ärztegesundheit liegen die Berichte über ärztliche Fehler, Mißerfolge und Anklagen rein mengenmäßig auf Platz 1. Woran liegt das? Zum einen spiegel`te diese tendenzielle Berichterstattung lange Zeit eine “arztfeindliche” Grundstimmung vieler Printmedien, zum anderen stand dahinter durchaus auch eine gewisse politische Absicht ( siehe unten). Nicht zu vergessen ist auch, daß sich “schlechte” Nachrichten nun mal gut verkaufen. Für die einzelnen Kollegen / Kolleginnen hat diese Negativschlagzeilen aber ungünstige, in Einzelfällen vernichtende Wirkung gehabt. Jeder kann es sich vorstellen, aber die wenigsten haben es miterlebt, wie desaströs sich die immer wieder kehrende negative Darstellung eines Kollegen in der Presse auswirken kann.
Versuchen die Betroffenen Anfangs noch die Fakten klarzustellen, für Sachaufklärung einzustehen, merken sie nur allzuschnell, das dies in vielen Fällen gar nicht gewünscht ist. Da wird nach einem 1 stündigen Gespräch dann nur der Satz zitiert, der den Medien ins vorgewählte Konzept passt. Die Empörung, die Wut, die persönliche Ehrabschneidung – das fordert einen u.U. stark heraus. Oft ist man für sich selber auch ein schlechter Sachverwalter. Eine andere Person – zB. der Rechtsanwalt, ein selbstgewählter Sprecher gegenüber der Presse, sind meist besser in der Lage, klare Statements abzugeben.
Schauen wir uns verschiedene Szenarien an.
A) der Behandlungsfehler Vorwurf:
Einer Ihrer Patienten ist durch eine Verwechslung zu schwerem Schaden gekommen, das falsche Bein wurde amputiert oder ein völlig falsches Medikament verabreicht. Der Vorfall gelangt an die Presse und wird aufgebauscht. Sie sollen nun eine Stellungnahme abgeben. Vorgeworfen wird Ihnen Imkompetenz, Gleichgültigkeit, generelle Schlampigkeit, womöglich auch gleich Gewinnsucht. Sie selber stehen u.U. noch unter Schock, müssen das bestmöglichste für den geschädigten Patienten tun, mit den Angehörigen sprechen, selber herausfinden, wie es zu dieser tragischen Verwechslung kam, zusätzlich haben sie Fragen seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft, ein Beweissicherungsverfahren und ggfs. Auflagen durch ihre Haftpfichtversicherung. Außerdem sollen Sie selbstverständlich den Praxis- oder Klinikbetrieb aufrechterhalten, ferner das Vertrauen ihrer Patienten/innen behalten und wieder Ruhe in ein durch den Fehler vielleicht verängstigtes Team hereinbringen. In einem solchen multiplen Spannungs- und Aufgabenfeld ist es eine immense Aufgabe, auch noch sachgerecht, ruhig und schadensbegrenzend mit der Presse zu sprechen.
Immer wieder werden hier die gleichen Fehler gemacht:
Fehler Nr. 1 Vor allem anderen die eigene Unschuld zu beteuern.
Selbst wenn Sie sich nichts vorzuwerfen haben, eine dumme Eröffnung -
viele werden denken, ob da jemand zu Schaden gekommen ist, interessiert den ja
gar nicht, der denkt nur an sich.
Fehler Nr. 2 bevor eine ernsthafte Klärung der Fakten erfolgte sofort den “tragischen
Unglücksfall” zu benennen – dies wird meist als Verdeckerklärung wahrgenommen.
Fehler Nr. 3 wiederum ohne Klärung der Fakten dies als völlig einmaligen, so
unwiederholbaren Fehler zu bezeichnen- statt erst mal abzuwarten, ob nicht doch
organisatorische oder sonstige Änderungen einen solchen Fehler verhindern können.

B) Vorwurf Abrechnungsbetrug
Ich habe mehrere Ärzte therapeutisch begleitet, die vor einem Abrechnungsvorwurf
standen. Lange Verfahrensdauer, komplexe Sachverhalte, die verschiedene Deutungsmöglichkeiten zuließen, Ängste vor disziplinarischen Maßnahmen der Ärztekammer / KV hatten die Kollegen belastet. Dazu kam bei denen, die in der Presse benannt wurden, das Erlebnis der Bloßstellung und die subjektiv erlebte Schädigung des eigenen Ansehens. Viel zu selten wurde dabei die Unschuldsvermutung beachtet, viel zu oft wurden vage Vermutungen als Tatsachen hingestellt, oft mit Hinweis auf andere “schwarze Schafe” unter den Ärzten, die bereits verurteilt wurden. So gibt es in einigen Bundesländern die SOKO Arzt, die oft mit viel Aufwand Ermittlungen betreibt, meist Anfangs groß in der Presse über Hunderte verdächtiger Ärzte spricht, schaut man hin was dann am Ende heraus kommt, so wird meist nur ein sehr kleiner Teil der Beschuldigten verurteilt.(Lit. Die Abrechnung) Ähnlich verliefen die Anschuldigungen der AOK Niedersachsen, die zu Beginn des Jahres 2003 Hunderten Ärzten vorwarf , fälschlicherweise die Leistungen von toten Patienten abgerechnet zu haben. Nur in wenigen Fällen konnte sich der Verdacht erhärten, “die AOK mußte eingestehen, dass die große Mehrheit der Ärzte korrekt abrechnet” (Literatur ÄB 11.4.03) Während die Anschuldigung Hunderter Ärzte auf der ersten Seite stand, wurde dieses Ergebnis in der Presse nur nachrangig dargestellt.
Was aber, wenn ein Kollege wirklich betrogen hat? Auch solche Kollegen habe ich begleitet. Für sie steht meist das juristische Verfahren im Mittelpunkt. Daneben zeigten Sie oft eine erstaunliche Naivität, wie die Öffentlichkeit, die Patienten auf den Betrug reagieren. Es ist klar, daß man sich in der Presse nicht selbst belasten sollte. Meist ist es hier angebracht persönlich zu schweigen, oder dem Anwalt die Kontakte mit der Presse zu überlassen. Zu wünschen wäre, daß sich ein solcher Arzt für sein Fehlverhalten entschuldigt, aber das geschieht nur sehr selten.
IV Professioneller Umgang mit Medien

Ärzte lernen im Regelfall nicht, wie man sich einem Reporter gegenüber professionell verhält. Die meisten nehmen sich keine Zeit sich in die Rolle des Fragenden herein zu versetzen, sie kreisen zu eng nur um die eigene Person. Konzepte, Strategien, Ziele im Umgang mit Presse und Fernsehen sind vielen unbekannt. Dabei kann ich allein durch die Art der Darstellung daran mitwirken, wie ich als Arzt “rüberkomme”: ob als Spezialist, als Generalist, als Teamplayer oder als Verkäufer von Gesundheitsleistungen. Gleiches gilt für die eigene Praxis oder die eigene Klinik, auch hier sind mehrere Ansätze denkbar. Große Kliniken und Konzerne können sich eine Presseabteilung leisten, der durchschnittliche Niedergelassene dagegen nicht. Hier zählt eher ein persönlicher Kontakt zu einem Journalisten, den man ggfs. nutzen kann.
Einige allgemeine vorbereitende Maßnahmen kann jeder Doktor treffen:
a) einen aktuellen beruflichen Lebenslauf ( 1-2 Seiten) incl. Zugehörigkeit zu Fachgesellschaften, Ehrungen etc. bereithalten
b) allgemeine Daten über die eigene Praxis / Klinik, seit wann bestehend, wieviele Patienten pro Jahr, wieviele Arbeitsplätze, wenn verfügbar generelle Aussagen zur Patientenzufriedenheit, (z.B. durch Fragebogenaktion, Qualitätssicherungsmaßnahmen, sonstige belegbare Daten) auf einem separaten Blatt auflisten
Bei einem positiven Ereignis wie einer Ehrung, einem Preis oder ähnlichem geht es im Pressegespräch meist um den konkreten Anlaß. Fassen Sie sich kurz, lächeln Sie in die Kamera, drücken Sie dem Interviewer ihre Visitenkarten in die Hand, denn sonst wird hinterher öfters Ihr Name falsch abgedruckt.
Bei einem negativen Ereignis lassen Sie sich nicht überrumpeln sondern planen ein Pressegespräch. Damit bestimmen Sie den Zeitpunkt, die Lokalität, die sprechenden Personen, den Inhalt des Eröffnungsstatements und- sofern Datenschutz oder juristische Gründe dagegen sprechen- auch die Bereiche, über die Sie aktuell (noch) nicht bereit sind Erklärungen abzugeben. Natürlich kommen hinterher auch Rückfragen, Fangfragen und Unterstellungen, aber Sie haben dann ein Grundgerüst an Aussagen die Sie dann ggfs. wiederholen können. Es muß auch nicht jede Frage beantwortet werden.
Wenn Sie genügend Zeit haben- überprüfen Sie Ihre Grundannahmen über ein Pressegespräch ( Fragebogen bei www.aerztegesundheit.de)????
Beispiel: ein tödlicher Zwischenfall: Wie kann man in einer solchen Krisen Situation als Arzt / Ärztin gegenüber Presse oder Fernsehen reagieren? Muß man reagieren? Zunächst man muß nicht. Es ist in Ordnung zu schweigen, sich mit allen Kräften um die Überwindung der Krise zu kümmern- no comment. Der Nachteil- Journalisten veröffentlichen dann oft Teil- oder Unwahrheiten, Unterstellungen, sie haben meist eine “negative Presse”. Diese kann man “aussitzen” nach dem Motto “nichts ist so veraltet wie der Skandal von vorgestern”. Dabei sollte man aber nicht vergessen: Es bleibt etwas hängen, die Halb- und Unwahrheiten werden von einigen Leuten geglaubt und begegnen einem noch nach Jahren. Medienexperten raten deshalb davon ab, sich mit “kein Kommentar” abzuschotten (Crisis counselor). Sinnvoller ist es, freundlich lächelnd seine grundsätzliche Bereitschaft zum Gespräch zu erklären, nicht emotional auf Fragen zu reagieren sondern allgemein anzukündigen, zu gegebener Zeit eine Stellungnahme abzugeben jedoch erst mal die weitere Klärung von Fakten, Verantwortungs= Bereichen etc. abzuwarten. Auf diese Weise sagt der Arzt auch nicht viel, steht aber nicht als ungeschickter Kommunikationsverweigerer da sondern imponiert eher als kluger und professioneller Gesprächspartner, der sich nicht überrumpeln oder in die Ecke drängen läßt.
Also was kann man als Arzt nach einem Zwischenfall gegenüber der Presse erklären?

1. Nennen sie die Ihnen bekannten Fakten:
z.B. gestern nachmittag starb in unser Praxis / Klinik ….
im Rahmen einer XY Behandlung oder Untersuchung.
2. Äußern Sie eine Emotion zu diesem Ereignis, selbst wenn
Sie persönlich vorab angeschuldigt werden:
z.B. ich bin über den Tod von …betroffen und erschüttert,
oder auch wütend und enttäuscht, daß trotz all unser Bemühung
dieses Ereignis eintrat.
Drücken Sie Mitgefühl mit etwaigen Angehörigen aus.
3. Spekulieren Sie nicht über die Ursache/n des Zwischenfalls,
lassen Sie sich auch durch Provokationen oder Fangfragen
nicht zu Hypothesen verführen und auch nicht zu Anschuldigungen
Dritter.
Vielmehr betonen Sie, dass Sie sich um eine genaue Analyse
kümmern, etwaige Ursachen, so weit in Ihrer Macht stehend,
beseitigen werden; ggfs. daß die Ereignisse von unabhängiger Seite
untersucht werden.
4. Soweit Polizei oder Staatsanwaltschaft sich eingeschaltet haben
betonen Sie ihre volle Kooperationsbereitschaft.
5. Machen Sie klar, daß und wie Sie dafür sorgen werden, daß sich
so etwas nicht wiederholt z.B. genaue Ablaufanalyse, Beratung mit
Kollegen, Fachgremien, externen Beratern. Versichern Sie, daß Sie
eine moderne Medizin kompetent praktizieren ( ggfs. Hinweis auf
x Jahre medizinischer Erfahrung mit y 000 Patienten)
6. Lügen Sie nicht. Auch wenn die Versuchung noch so große ist initial
zu schwindeln, lügen Sie nicht, machen Sie lieber keine Aussage. Die
öffentliche Lüge hat meist kurze Beine, Ihr Verlust an Glaubwürdigkeit
kommt Sie auf Dauer teuer zu stehen und ihr Ruf wird sehr leiden !
7. Schützen Sie sich selbst und Ihre Mitarbeiter/innen:
z.B. weisen sie auf ihr Engagement hin, die Einsatzbereitschaft des Teams
Ihr Vertrauen in Ihr Team und sich.
8. Beachten Sie den Zeitfaktor: Bei einem größeren Zwischenfall sollte
eine effektive Kommunikation mit den Medien in den ersten 48 Stunden
nach Bekanntwerden laufen. Danach sind die meisten Schlagzeilen
veröffentlicht und ihre Stellungnahme verliert deutlich an Wirkung.

V Der große Arzt- Skandal Ablauf und Einwirkungsmöglichkeiten

Alle paar Jahre wieder hören, sehen und lesen wir über den neuesten Medizinskandal. Für die Medien ein auflagenstarkes Geschäft, für die Betroffenen eine Geschichte von viel Leid, für die beteiligten Ärzte, Praxen und Krankenhäuser ein Alptraum. Auch wenn es sich meist um singuläre Ereignisse handelt, kommen doch in der Ablaufanalyse der medialen Darstellung eine erstaunliche Reihe von Gemeinsamkeiten heraus. Ebenso ähneln sich die gemachten Fehler, manchmal aber sieht man auch positive Beispiele des Umgangs mit dem Skandal. (Kassel) Ein Skandal im Gesundheitswesen kann durch vieles ausgelöst werden: ” falsche Medikamente, mangelhaft durchgeführte Operationen und Pflegefehler, infizierte Blutpräparate, mit Salmonellen verseuchtes essen, umstrittene und verheimlichte Forschung, Entlassung von Mitarbeitern, umstrittene Entscheidung der Leitung, Fehlverhalten von Mitarbeitern und öffentliche Diskussionen interner Probleme.” (LIT Urban) Beispiele kennt jeder: der große Thalidomid (Contergan) Skandal, der Strahlenskandal am Uniklinikum Eppendorf, aktuell die Dopingaffäre um Freiburger Sportmediziner oder die Vorwürfe des Organhandels und der Patientenerpressung gegen einen Essener Transplantations-Mediziner. Der regelhafte Verlauf beginnt mit der Enthüllung, setzt sich fort mit Dramatisierung und Abwehr und endet schließlich in Degradierung und Abwehr(Lit Frost). Die Enthüllung geschieht etwa durch eine Patientenbeschwerde, eine Strafanzeige, öfters auch durch die Weitergabe vertraulicher interner Texte und Daten. Die Dramatisierung entsteht zunächst durch die lawinenartig zunehmende Berichterstattung, die meist immer aufwühlendere Schlagzeilen produziert. Aufrechterhalten und in die Länge gezogen wird die Dramatisierung durch die prolongierte Abwehr der in der Presse angeschuldigten Personen. Oft werden alle Anschuldigungen als “Hetzkampagne” anfangs pauschal zurückgewiesen, keinerlei eigene Fehler oder Fehleinschätzungen konzidiert. Das spornt wiederum die Journalisten an, tiefer zu graben, bei Kollegen, Mitarbeitern, Patienten und Angehörigen nachzuhaken und weitere Detaills ans Tageslicht zu bringen. Diese Phase kann sich über Wochen, ja Monate hinziehen, es geht mehr um Aufmerksamkeit, Auflage und Skandalemotionen als um Fakten, genaue Aufklärung und faire Gewichtung von meist breit gestreuter Verantwortung. Einzelne Schuldige werden ausgemacht, ihr Konterfei jedesmal gezeigt. Am Ende geben Vorgesetzte oder Behörden dem öffentlichen Druck nach, stellen einen Arzt /Ärztin frei, die Betroffenen selber sind meist bitter enttäuscht und ermüdet, sehen sich vor den Trümmern ihrer Karriere und irgendwann scheint sich ein weiteres festhalten nicht mehr zu lohnen. Dabei ist die wahre Enttäuschung weniger das Verhalten der Presse, das können die meisten annähernd einschätzen, tiefer verletzt das Zwichenmenschliche- langjährige Kollegen lassen einen fallen, wollen einen nicht mehr kennen, schützen sich gegen das “Abfärben des Skandals” durch Rückzug, öfters werden auch alte Rechnungen beglichen und vertrauliche Interna anonym an die Medien lanciert- und das trifft dann wirklich. Am Ende wird man – lange bevor ausgemacht ist, ob es wirklich eine Schuld, ein justitiablen Fehler gab, isoliert, fallen gelassen zur Aufgabe genötigt.
Was kann der einzelne Kollege tun, was kann ein Praxisnetz, VZB oder Krankenhaus tun, wenn sich ein Skandal anbahnt? Es gibt hier eine ganze Menge an Erfahrungswissen, nur- das muß man vorher bereit haben, im Krisenfall kann man das nicht auch noch lernen.
Kurz und knapp: Nehmen sie Negative Schlagzeilen von Anfang an ernst. Lassen Sie sich nicht “jagen” sondern gehen in die Offensive: geben sie eine Erklärung ab, nennen Sie Fakten, wenn Fehler gemacht wurden, geben sie diese frühzeitig zu! Das ist schwer, das braucht Mut, das gibt aber auch Respekt. Kommt die Wahrheit dagegen erst nach langem Hin und Her heraus, nachdem Sie x-fach erklärten unschuldig zu sein wie einige Freiburger Sportärzte, dann stehen Sie nur noch vor dem Scherbenhaufen. Abzuwägen ist, inwieweit das Zugeben von Fehlern juristisch von Nachteil ist. Hier sind z.T. professionelles Verhalten gegenüber Medien und juristische Defensiv Strategie gegenläufig, eine Beratung unausweichlich.
Was in keinem Medienberater steht: Sorgen Sie für ihre eigene Person! In einer Krise, mehr noch einem Skandal kommt vieles unter die Räder, sorgen Sie aber dafür, dass Sie selber überleben. Wenn Sie selber gerade in den Medien exponiert sind, ihren schlimmsten Albtraum durchleben, scheint es nichts anderes für Sie zu geben. Jedoch das leben geht weiter. Holen Sie sich deswegen sofort Unterstützung, Hilfe und Beratung. Am wichtigsten ist der Rückhalt in der Familie- sprechen Sie mit dem Partner/in, engsten Freunden; machen Sie Sport, sie werden mehr Wut und Haß spüren als vielleicht in den letzten zehn Jahren! Schreiben Sie ihre Ängste auf, schauen Sie was Sie dagegen tun können. Holen sie sich psychologische erste Hilfe; halten Sie ein worst case Szenario für möglich, überlegen Sie: wer bin ich ohne meinen Beruf, was wollte ich schon immer machen? Überlegen Sie worum wollen Sie kämpfen: nicht gerichtlich verurteilt zu werden, nicht ins Gefängnis zu kommen, den Erhalt der Approbation, das finanzielle Überleben, den Schutz ihrer Familie, ihrer Kinder, die Rettung Ihres Rufes. Oft lassen sich zumindest einige dieser Ziele erreichen, aber sicher werden Sie manches nicht erreichen, stellen Sie sich darauf ein und kämpfen u.U. für den Rest. Ist das chancenlos geben Sie auf, je früher der Skandal vorbei ist, umso eher können Sie ihr neues Leben aufbauen- wie und wo auch immer. Manchen Kollegen habe ich durch eine solche Lebenskrise begleitet bis die “äußeren Schlachten” geschlagen waren. Immer wieder kam dabei die Feststellung: Wenn ich im Skandal gewußt hätte, dass mein Leben hinterher so aussieht, dann hätte ich mich nicht so lange gegen das Unausweichliche gewehrt.”
VI Fazit

Durch Medienberichte werden Karrieren von Ärztinnen und Ärzten beschleunigt, im Falle von Fehlern oder Skandalen jedoch weit häufiger beschädigt. Hier ist ohne professionelles Medienverhalten der Schaden unnötig groß. Jeder Arzt kann die Grundzüge des Umgangs mit Presse und Fernsehen lernen, die initiale Unsicherheit, Aufgeregtheit aber auch Naivität ablegen. Jeder kann Fakten und Materialien für ein Pressgespräch vorbereiten. Selbst nach schweren medizinischen Zwischenfällen sollten Sie statements mit Verstand und Herz abgeben, statt mit Lügen und Verstecken den eigenen Ruf noch weiter zu ruinieren. Für Kollegen, die in einem Skandal bloßgestellt und diffamiert werden sollte schnelle Unterstützung durch Familie, Freunde und auch einen professionellen Berater selbstverständlich werden. Damit kann die Anpassung an ein Leben nach dem Skandal leichter gelingen und eine Wertschätzung noch intakter Bereiche des eigenen Lebens erhöht werden.

 

Literatur zu Ärzten und die Medien
1. AOPA(2005) Ein offener Brief an Otto Schily
2. Blasius, T (2007) Die Spende als goldene Brücke
WAZ Interview, 9. Juni 2007
3. Caponigro, J (2000) The Crisis Counselor.
Contemporary Books, Chicago
4. Frost, M (1997) Der Vorwurf eines Behandlungsfehlers.
in Verres (Hrsg.) Strahlentherapie im Erleben der
Patienten. J. Barth Verlag, Heidelberg
5. Füeßl, H (2001) Arzt und Medien; der Beginn einer
wunderbaren Freundschaft? MMW 18/ 14
6. Gayer, H (2003) Staatsanwälte ermitteln gegen Chefarzt.
Stuttgarter Zeitung; 28. März 2003
7. Minnerop, S (2007) Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen
Tötung. ProPraxis Neurologie / Psychiatrie Mai 2007, 30-31
8. NN ( 2003) Ärzte zu Unrecht beschuldigt. Zahlreiche
Betrugsfälle entpuppten sich als Abrechnungsfehler.
DÄ 11.4.2003
9. Stoschek, J (2001) Kassenkriminalität kein Thema?
MMW 16
10. Timm, M (2000) Attest fürs Welfenstilzchen
Focus Mai ? 2001
11. Urban, A (2007) Gesunde Netze pflegen. Öffentlichkeits-
Arbeit für Kliniken, Praxen und Pflegeeinrichtungen.
Viola Falkenberg Verlag, Bremen

Umgang von Ärzten mit den Medien

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit und
überdenken Sie die folgenden Fragen

Dies wird Ihnen helfen, bei einem Interview oder Pressekonferenz
professioneller mit Presse und / oder Fernsehen umzugehen.

1. Sind die Medien stets objektiv, wenn sie über Mediziner
oder einen medizinischen Zwischenfall berichten?

2. Können gute vorherige Kontakte zur Presse eine Rolle spielen,
wenn es für Ihre Praxis oder Klinik mal hart auf hart geht?

3. Ist es bei einem Störfall in Klinik oder Praxis immer das Beste
abzuwarten, bis die Medien Sie kontaktieren?

4. Ist der Chefarzt immer die optimale Person, die ein
Krankenhaus gegenüber Reportern repräsentieren sollte?

5. Sollten Sie immer einige Fakten über ihre Praxis, ihre Person
auf einem Merkblatt bereithalten und Reportern im Interview
zur Verfügung stellen?

6. Haben die Medien einige Tricks, um eine Person dazu zu bewegen,
mehr an Aussagen zu machen, als ursprünglich beabsichtigt?

7. Kann ein geübter Reporter es merken, ob Sie als Interviewpartner /in
ausweichen oder irreführende Aussagen machen?

(zitiert und modifiziert nach The Crisis Counselor. Jeff Caponigro)