Wenn Kollegen Rauchen

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Ärzte und das Rauchen
 

von Dr. Bernhard Mäulen


I Einleitung


…wäre viel gewonnen, wenn Ärzte sich selbst das Rauchen abgewöhnten. Bei dieser definierten Zielgruppe müßte die Nikotin-Entwöhnung (ausnahmsweise) allein durch den Intellekt steuerbar sein. -Branovic,1971

Rauchende Ärzte hat es schon immer gegeben, nie aber war ihr diesbezügliches Selbst- und Fremdbild so angeschlagen, wie heute. Als ich mit meiner Assistenzarztausbildung anfing, wurde in Ärztekonferenzen noch ganz offiziell geraucht, etwas was in dieser Form heute in Deutschland nicht mehr existiert, oder höchstens als vereinzelte Ausnahme. Es hat ein gewaltiger Wandel in der Einstellung stattgefunden, die Gefahren des Aktiv- und mehr noch die des Passiv Rauchens sind der Bevölkerung mehr und mehr ins Bewusstsein getreten. Die deutsche Ärzteschaft hat daran einen wichtigen positiven Anteil. In den fünfziger Jahren war das noch anders, viel mehr Ärzte rauchten. Auf den Umschlagseiten der Biografien namhafter Kliniker wurden diese berühmten akademischen Vorbilder mit angezündeter Zigarette abgebildet ! Dies käme uns heute zur recht absurd vor.
Nachfolgend wollen wir die Fortschritte der Ärztegesundheit in Bezug auf das Rauchen benennen, die Position der deutschen Ärzteschaft zu denen anderer Länder, die Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Vorbildes “Arzt / Ärztin”, aber auch die Widerstände derer anschauen, die noch immer Rauchen müssen oder wollen.

II Wie viele Ärzte rauchen?


Tabelle I

Studien zur Raucherprävalenz bei Medizinern/innen in Deutschland

Jahr % Raucher Studiengruppe         Autor
N
2000 13% 94 Hausärzte/innen          Schmidt
2001 22% 301 niedergel. Ärzte/innen Niemeyer
2001 23% 613 Ärzte/innen               Wegner
2002 24% 299 Krankenhausärzte       Uhlig
2006 20% 334 Medizinstudent           Stößel
12% Med.studentinnen
2006 33% österr. Medizin                 Bernhard
student/innen

1997 veröffentlichte Fowler eine vergleichende Studie zum Zigarettenkonsum durch “gesellschaftliche Vorbilder” (Fowler). Danach rauchen ca. 26% der deutschen Ärzte und Ärztinnen. In einer Untersuchung von 94 Hausärzten/innen aus dem Jahr 2000 fand A. Schmidt einen Anteil von 13% Rauchern/innen. Nach Angaben der deutschen Gesellschaft für Nikotinforschung, rauche in Deutschland jeder 5te Arzt, also circa 20% . (ÄZ 2001) Eine Umfrage des Statistischen Bundesamtes zum Thema Rauchen ermittelte für die Gruppe der Ärzte einen Anteil von 18 Prozent, ebenso viele wie bei den Apothekern (ÄZ Juli 2000). In einer Ende 2005 publizierte Studie an Ärzten/innen und Anwälten/innen von Kaiser hatten beide Berufsgruppen eine ähnliche Prävalenz von Rauchern nämlich 20% . In dieser Größenordnung liegen auch die Zahlen für Medizinstudenten. Nach einer Untersuchung an Freiburger Medizinstudenten 2005 waren 20% der Studenten und 12% der Studentinnen der Medizin Raucher/innen (Stößel). Höhere Prävalenz Zahlen von ca. 33% fand Bernhard vom Biozentrum Innsbruck (Bernhard)
Mit diesen Zahlen liegen wir in Deutschland deutlich über dem, was in anderen Ländern in Bezug auf Ärztegesundheit und Nichtrauchen erreicht wurde. Die geringsten Quoten finden sich in den USA, wo nur etwa drei % der ÄrztInnen rauchen. Auch die britischen Ärzte verhalten sich in Bezug auf das Rauchen gesundheitsbewusster. Von ihnen rauchen nur circa 10-11%. (Fowler).
Innerhalb der Staaten Europas gibt es wohl auch ein Nord- Süd Gefälle, d.h. Ärzte/innen in Spanien rauchten sehr viel häufiger (45%) als die deutschen oder britischen Kollegen/innen. (Fowler). Es scheint, als ob der Anteil der rauchenden Ärzte insgesamt über die Jahre abnimmt, und damit dem Trend in der Allgemeinbevölkerung folgt.
Es gibt Hinweise, dass unter den einzelnen Facharztgruppen eine unterschiedliche Prävalenz von Rauchern vorliegt mit niedrigen Werten für die HausärztInnen, mittleren Werten für Chirurgen und erhöhten für Psychiater (Schmidt).
FAZIT Insgesamt gilt aber für alle untersuchten Länder – insbesondere auch für Deutschland- daß der Anteil an Rauchern/innen unter den Medizinern deutlich niedriger ist, als in der Allgemeinbevölkerung. Mit einer Prävalenz von ca. 20% ist der Anteil rauchender ÄrztInnen etwa 1/3 weniger als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. Innerhalb der Ärzteschaft rauchen Ärztinnen bedeutend weniger als die Ärzte.


III Wandel der Einstellung gegenüber
rauchenden Ärzten und Ärztinnen

Über viele Jahrzehnte waren rauchende Ärzte sozusagen eine Selbstverständlichkeit. Rauchen war Teil einer Lebens- und Genusskunst, z.T. Ausweis einer Zugehörigkeit zu gehobenen Schichten. Die Tatsache etwaiger negativer Auswirkungen auf die eigene Gesundheit wurde marginalisiert. Die Zahl berühmter Ärzte und in geringerem Umfang Ärztinnen, die rauchten und der Medizin ansonsten große Ehre bereitet haben ist Legion. So fanden Kollegen nichts dabei, sich auf offiziellen Abbildungen mit einer Zigarette, Pfeife oder ähnlichem ablichten ja sogar auf Portraits malen zu lassen. Auf mehreren Umschlagsbildern von Biografien berühmter Ärzte aus den fünfziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts, werden diese mit einer Zigarette dargestellt z.B. Prof. Bürger-Prinz, Hamburg, C.G. Jung oder Professor von Bergmann, München (LIT) Letzterer war Senior der inneren Medizin und Mitbegründer der modernen Psychosomatik in Deutschland (Bergmann). Damals war es üblich, dass sich großformatige Zigarettenwerbung auch in medizinischen Fachzeitschriften als Werbung fand. Für manche Ärzte war es fast ein Erkennungsmerkmal zu rauchen. So heißt es etwa über Alois Alzheimer: “Alzheimers Markenzeichen wird bald seine allgegenwärtige Zigarre, die er gerne am Arbeitsplatz eines jeden Studenten liehen lässt… so dass jedem Abend das ganze Labor von einem Dunst abgebrannter Zigarren eingehüllt ist” (Maurer). Während es früher also selbstverständlich war, Ärzte auch rauchend abzubilden, ist dies heute kaum noch der Fall. In einer Sammlung von Ärztebiografien aus Schottland, wurden die Bilder, die Ärzte mit Zigarette zeigen, extra kommentiert z.B. bei N. Bethune: “Hier wird er als Raucher abgebildet, ein Zeichen seiner charakteristischen Ablehnung aller Regeln” (Macintyre)
Für die jungen Kollegen heute nicht leicht nachzuvollziehen, war auch, wie stark das Rauchen im Alltagsbetrieb von Kliniken verbreitet war: in der Chirurgie während die Operateure zwischen zwei Operationen eine kurze Pause machten ; in den täglichen Konferenzen, an denen teilzunehmen ja Pflicht war. Wie viel ich hier in meinen Assistenzarztjahren an Passiv Rauchen mitbekommen habe – stundenlang stank danach mein Kittel! Eine Generation früher ging es noch hierarchischer zu. Als ein Assistenzarzt in der Konferenz rauchen wollte kam der Oberarzt zu ihm und sagte: “Der Chef lässt sie bitten, während der Konferenz nicht zu rauchen!” (Zitat Bürger Prinz) Während der Konferenz zu rauchen war damals allein Vorrecht des Chefs.
Heute sind viele Krankenhäuser zur rauchfreien Zone erklärt, teilweise sieht man Ärzte und Pflegepersonal vor Tür oder auf einer Feuertreppe schnell eine Zigarette rauchen. Der Einstellungswandel zeigt sich auch bei medizinischen Konferenzen; wurde man früher in den Pausen von allen Seiten “eingeräuchert” so gibt es in den letzten Jahren eine zunehmende Zahl von Veranstaltungen, die ausdrücklich rauchfrei sind.

IV Was bewegt Ärzte /innen zu rauchen

Wie auch sonst in der Bevölkerung beginnen die meisten späteren Ärzte mit ihrem Rauchen vor dem Abschluß der weiterführenden Schule. Ihre Nikotinabhängigkeit ist dann schon gegeben, wenn sie das Medizinstudium beginnen. Zumindest bis vor kurzem sahen sie dort, dass dieselben Professoren, die ihnen über die Gefahren des Rauchens in der Vorlesung bildhafte Ausführungen machten, anschließend selbst zur Zigarette griffen. Das Nachahmverhalten, das schon Jugendliche zur Zigarette trieb, konnte so fortgesetzt werden (Buchkrämer-Batra) Für viele Ärzte, die heute arbeiten, hat es das Nebeneinander der medizinische Fakten über Nikotin, Krebserkrankungen und Todesstatistiken einerseits und die eigenen Verhaltensweisen bezüglich Rauchen andererseits durchgängig gegeben. Ähnliches haben wir ja auch schon für andere gesundheitsschädliche Verhaltensweisen von Ärzten dargestellt (Mäulen). Freud, der ja lebenslang rauchte, setzte dies auch nach seiner Krebsoperation am Gaumen fort. Er wusste um die Gefahr, die Schmerzen, die Verschlechterung seiner Prognose. Wir wissen, dass er zugab nach Zigarren süchtig zu sein. Er nannte als Grund neben der Sucht “eine menschliche Veranlagung, die er Wissen-und-nicht-Wissen nannte, einen Zustand rationalen Begreifens, das nicht in eine entsprechende Handlung einmündet” (Gay). So ist der primäre Grund für das Rauchen von ÄrztInnen sicher eine seit Jugend bestehende Tabakabhängigkeit.
Weitere Motive bestehen in der Reduktion von Stress, der ja zweifelsohne reichlich im Medizinstudium und danach gegeben ist. Pharmakologische Grundlage dafür ist die Wirkung des Nikotins. Dieses Alkaloid wird ca. 7 Sekunden nach Aufnahme in den Lungenalveolen im Gehirn wirksam. Es können sowohl antriebsteigernde wie dämpfende Effekte eintreten. Insbesondere kann eine subjektiv entspannende Wirkung vom Rauchenden erlebt werden, die Stress, Ärger, Nervosität etwa vor einer schwierigen Operation reduziert. Wohl auch in diesem stressreduzierenden Sinne ist die Äußerung Freuds über sein Rauchen zu verstehen “dass mir als Schutz und Waffe im Kampf mit dem Leben gedient hat” (Gay)
Für manche Ärzte stellt das weiter Rauchen auch eine trotzig selbstbestimmte Handlung dar. Meine Ausbilderin in vorklinischer Psychotherapie, Frau Dr. Elisabeth Kübler Ross, ist hierfür ein Beispiel. Als sie ihren ersten Schlaganfall hatte, stritt sie lange mit dem behandelnden Neurologen. Schließlich setzte sie es durch, mit einer anderen Patientin gemeinsam zu rauchen (E. Kübler-Ross). Für sie war es der Protest, nicht zu allem ja zu sagen, sich nicht anzupassen, was sie ja als Pionierin der Sterbehilfe ein Leben lang nicht gemacht hatte. Ihre Begründung dafür? “Das ist mein Leben”.
Nicht zuletzt gibt es eine Korrelation zwischen Rauchen und psychischen Krankheiten (Batra ). Insbesondere Abhängigkeitskranke, depressive und schizophrene Menschen haben eine erhöhte Raucherprävalenz. Mir sind einige Kollegen bekannt, die erfolgreich ihre Alkoholabhängigkeit in den Griff bekamen, nicht aber ihr Rauchverhalten (Gottschaldt). Auch haben mir einige meiner depressiven Arztpatienten mitgeteilt, sie rauchten auch um die Sinnleere und die Herabgestimmtheit irgendwie zu überbrücken.


V Ärzte als Forscher im Dienste der Tabakindustrie

Jahrzehnte haben Ärzte hierzulande Gelder der Tabakindustrie angenommen um Forschungen zu finanzieren, Reisen zu machen und in Einzelfällen auch zur privaten Bereicherung. Es ist ein düsteres Kapitel der bewussten Instrumentalisierung der Wissenschaft im Dienste der Privatwirtschaft. So beklagt einer der früher deutschen Pioniere der Lufthygiene, Prof. Portheine: “Es gibt keinen Ehrenkodex unter deutschen Forschungsinstituten, der sie daran hindern könnte Gelder von Zigarettenunternehmen anzunehmen” (Portheine). Auf der anderen Seite wurden – wo es möglich war- die Karrieren von Wissenschaftlern behindert, die eine kritische Haltung an den Tag legten. Forschungsergebnisse wurden zurück gehalten, gesicherte Ergebnisse der schädigenden Wirkungen der Zigarette mit Gegengutachten in Frage gestellt. Auch klare Wissenschaftsfälschungen gegen Geld im Dienste der Tabakindustrie sind hier vorgekommen (Geist). Insbesondere wurde -trotz gegenteiliger Beweise- viele Jahre lang die Bedeutung und Gefährlichkeit des Passivrauchens systematisch herunter gespielt. Dazu wurden Wissenschaftler auf Kongresse geschickt, um z.B. auf der Karlsruher Therapiewoche die Diskussion dahin zu lenken “dass Passivrauchen nicht als Gesundheitsrisiko bewertet wird ( Hirschhorn)
Ein besonders krasses Beispiel für Täuschung und Mißbrauch von Wissenschaftlern ist Prof. GL Huber, Harvard Universität. Jahrzehntelang bekam er Geld und Unterstützung von der amerikanischen Industrie, veröffentlichte international angesehene Forschungsergebnisse z.B. über den Zusammenhang zwischen Rauchen und der Entwicklung eines Lungenemphysems. Erst als er interne Dokumente aus den Laboren der Tabakkonzerne zugespielt bekam sah er, dass man ihn benutzt und hinters Licht geführt hatte. Konkret wurde deutlich, dass all seine über Jahre mühsam erforschten Daten schon vorhanden waren, aber man hatte ihm die diesbezüglichen Forschungsergebnisse vorenthalten. So hatte er Jahre an Kraft und Forschungstalent verschwendet, um spät herauszufinden, daß dies letztendlich nur eine public relations Maßnahme seiner Auftraggeber war. Er wurde darauf hin so wütend, dass er zu einem der maßgeblichen Zeugen der Anklage wurde, als in den USA der Mammutprozeß um Entschädigung gegen die Tabakkonzerne geführt wurde. Seine detaillierte Stellungnahme dazu ist per Internet abrufbar (Huber). Zurecht fragte er sich darin betroffen, wie kommt es, dass all die beteiligten Wissenschaftler jahrzehntelang das Spiel mitgemacht haben und damit für Tausende von Konsumenten die Wahrheit über die gesundheitlichen Folgen des Rauchens für lange Zeit verschleierten?
Für die Beteiligten mag es ein gewisser Trost sein, dass mit großer Verzögerung aber schließlich doch noch die Wahrheit über die diversen Wissenschaftsfälschungen herauskam, auch für die BRD z.B. detailliert geschildert im Buch “Rauchopfer” (Geist)


VI Wie können rauchende Ärzte aufhören zu rauchen?

“90% aller Raucher machen Abstinenzversuche” so stand es kürzlich in der MMW (Einecke). Auch viele rauchende Ärzte bemühen sich immer wieder aufzuhören und schaffen es für eine längere oder kürzere Zeit. Hilfe zum Ausstieg sind oft eigene Körperbeschwerden oder eine schwere eigene Krankheit. Entgegen der falschen Annahme dass nur Patienten krank werden und nicht Ärzte, treffen all die bekannten Spätfolgen des Rauchens auch uns Ärzte: Ein Internist: “ich war 42 Jahre, übergewichtig, Kettenraucher.. plötzlich wurde meine Brust wie von Stahlbändern eingeschnürt..,verzweifelt versuchte ich Gründe zu finden um mich zu überzeugen, dass dies kein Infarkt sein könne, etwas war ganz ernsthaft verkehrt”; (Mandell). Ein 60j Pathologe: “. Und ich wachte auf mit einem akuten präkordialen Schmerz, .. meine Frau bekam es mit der Angst zu tun und rief einen Arzt, ich durfte nicht aufstehen, nicht gehen, nicht mehr rauchen” (Pinner). Eine Psychiaterin: “der ganze Stress, der Kaffee, die Zigaretten und Schokolade, all das holte mich plötzlich ein … ich war mir sicher, dass ich starb (Kübler-Ross). Viele Ärzte entschließen sich in dieser Situation mit dem Rauchen für immer aufzuhören.
Manchmal ist die Einsicht, dass man noch etwas Wichtiges zu tun hat und nur wenig Zeit verbleibt motivierend. Heinrich Siegerist, Altmeister der Geschichte der Medizin, hatte ein fortgeschrittenes Herzleiden, wollte aber noch sein großes achtbändiges Werk fertig stellen. Obwohl er chronischer Raucher war, gab er für das Buch die Zigaretten auf. (Pinnerr).
Andere Gründe sind eher externer Natur, wie veränderte Gesetzgebung z.B. ein absolutes Rauchverbot am Arbeitsplatz. Wie auch immer die Motivation, ein Ausstieg aus der Tabakabhängigkeit ist möglich, wenngleich nicht leicht. Moderne Raucher Entwöhnung Programme kombinieren meist Verhaltenstherapie, mit Aversivtherapie und /oder Nikotinsubstitution. Ein Jahres Erfolgsraten liegen zwischen 20 und 30% (Buchkremer, Batra) Auch unter Ärzten gibt es eine beachtliche Zahl von abstinenten Rauchern. So gaben in der Kölner Fragebogenstudie an 350 HausärztInnen ca 40% an, sie hätten mit dem Rauchen aufgehört (Kaiser

VI Rauchende Ärzte sind schlechte Vorbilder und
weniger glaubwürdig als Behandler

Die kognitive Dissonanz gleichzeitig Arzt und Raucher zu sein, parallel zu wissen welche schweren gesundheitsschädigenden Wirkungen das Rauchen hat und selber doch weiter zu rauchen, ist nicht allein Sache des individuellen Arztes. Sie betrifft wesentlich auch seine professionelle Arbeit. So sind Ärzte, die selber gesund leben, deutlich glaubwürdiger und sie motivieren auch eher ihre Patienten/innen. Wie Prof. Erica Frank, USA, in ihren Untersuchungen herausfand, spielt es eine erhebliche Rolle, ob man als Arzt tut, was man predigt. Rauchende Ärzte thematisierten signifikant weniger die Notwendigkeit des Nikotinverzichtes, als die nichtrauchenden Kollegen. Zu der größeren Häufigkeit entsprechender Gesundheitsvorschläge kommt dann noch die höhere Überzeugungskraft. Schon 1971 wurde hierzu festgestellt “es wäre für die Nikotinentwöhnung vieler Patienten viel gewonnen, wenn möglichste viele Ärzte sich das Rauchen abgewöhnten (Branovic) Oft fanden sich bei den gesundheitsbewusst lebenden Ärzten/Innen eine positive Motivation, sich um seine eigene Gesundheit zu kümmern, sich anzustrengen, die Mühsal des Verzichtes auf sich zu nehmen, und dies wirkt auf die Patienten ansteckend. Darüber hinaus scheint es einen Zusammenhang zwischen der gesundheitsbewussten Lebensführung und dem Selbstvertrauen beratender Ärzte zu geben: So berieten von den nichtrauchenden ÄrztInnen 63% über die Schäden des Rauchens, wohingegen von den rauchenden Ärzten nur 47% ihren Patienten eine solche Beratung angediehen ließen (Frank). Dieses wiederum beeinflusst die Effektivität und auch die Authentizität in der Arzt Patient Beziehung (Kaiser)
Ein gutes Beispiel für diesen Glaubwürdigkeitsverlust auf Seiten des Patienten ist das Erlebnis einer Frau, die mit ihrer krebskranken Freundin zu einem Arztgespräch ging. Dabei fiel dem behandelnden Arzt ein Päckchen Marlboro aus der Kitteltasche. Ihr Kommentar im Internet hierzu: “Ärzte sind auch nur Menschen – aber trotzdem frage ich mich, wie ein angesehener Professor für Lungenkrankheiten rauchen kann?”(NN)
Dieser Verlust an Glaubwürdigkeit wird voraussichtlich noch zunehmen, je mehr die Nichtraucher auch in der BRD geschützt werden, und danach sieht es momentan aus. So sagt der Gesundheitswissenschaftler Prof. Kugler, “es wird so sein, dass Ärzte, Lehrer usw. da verstärkt eine Vorbildfunktion übernehmen werden. Das heißt z.B., dass rauchende Ärzte dann sicherlich Probleme mit der sozialen Integration haben werden. Das ist zumindest der gesellschaftliche Trend.”(Kugler)
In Italien, wo schon heute ein Rauchverbot in Kliniken besteht, heißt es, dass “rauchende Ärzte das schlechteste Beispiel für ihre Patienten sind” und “ein Arzt mit Glimmstengel habe einen Interessenskonflikt mit seinem Arbeitgeber”.(Garattini)

VII Rauchen und Ärzte- was können wir tun?

Zur Förderung der Gesundheit aller, Patienten wie Ärzte, ist eine Stärkung des Nichtraucherschutzes erforderlich. Wir stehen ja gegenwärtig heftig in der gesellschaftlichen Diskussion bei diesem Thema. Es muß viel mehr getan werden, um die international noch immer hohe Rate an Rauchern unter den deutschen Ärzten zu senken. Einzelne Ärztekammern gehen hier voran, so ist zB. die Bundesärztekammer Berlin rauchfrei. (ÄB) Ähnliches gilt auch für einige Krankenhäuser- aber eben noch längst nicht für alle.

TABELLE II
Maßnahmen zu Förderung des Nichtrauchens
bei Ärzten

” Rauchverbot in allen Krankenhäusern
” Rauchverbot bei ärztlichen Fortbildungen
und Kongressen
” Salutogenese und Ärztegesundheit als
Pflichtausbildungsthemen für Medizinstudenten/innen
” Konzertierte Aktion der Kammern, Fachverbände
zur Förderung des Nichtrauchens unter Ärzten
” Ärzte sind Vorbilder – als Slogan für positives
Gesundheitsverhalten verstärken
” Schutz künftiger Ärzte durch Rauchverbot sowie
mehr Aufklärung an Schulen

Speziell sollten die Medizinstudenten/innen darauf hingewiesen werden, dass sie Vorbilder sind bzw. als Ärzte sein werden. Ein solches Vorgehen hat sich in Schweden als erfolgreich erwiesen. Dort stieg der Anteil der Ärzte, die als Grund für das Aufhören mit Rauchen angab “ein Vorbild zu sein”, von 10 auf 71%!. (Simpson) Mit Informationen, Raucherentwöhnungs Programmen, Diskussionen über Salutogenese, Arbeitsgruppen sollte für jeden angehenden Arzt/Ärztin der Zusammenhang zwischen dem Umgang mit der eigenen Gesundheit und dem späteren Wirken als Arzt rational und emotional einsichtig gemacht werden. (Stößel)
Der Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter im Krankenhaus aus arbeitsmedizinsicher Sicht sollte auch den Ärztinnen und Ärzten zugute kommen. Auf der Grundlage der Arbeits- stätten- Verordnung lassen sich Rauchfreie Bereiche für Beschäftigte einrichten.
Alle Ärzteverbände, in Verbindung mit den Fachgesellschaften und auch den Ärztezeitschriften könnten durch konzertierte Aktionen und über längere Zeit wesentliche Reduzierungen der Raucherprävalenz für Ärzte erzielen. Bestes Beispiel hierfür sind die USA, wo es durch anhaltende Bemühung, Einbeziehung der medizinischen Fakultäten, Studentenverbände etc. gelang die Raucherquote bei Ärzten unter 5% zu drücken. Vielleicht können dann auch einmal deutsche medizinischen Fakultäten der Goethepreis von Prof. Portheine erhalten, der bisher nur ins Ausland ging.
Seine Inschrift: Ärzte sind Vorbild! Clean Air! Glück auf!


Literatur zu Rauchende Ärzte:

1. ÄB (2004) Passivrauchen- Ärztekammer ist “rauchfrei”
Dt. ÄB, 101, 51-52,A 3454
2. ÄZ (2001) Ärzte qualmen mit am wenigsten. Ergebnisse
der Mirkozensusumfrage des statist. Bundesamtes Wiesbaden
3. ÄZ (2001) Ärzte sind Vorbild – Mediziner wirbt mit Goethe
fürs Nichtrauchen. Ärztezeitung 31. Mai 2001
4. Batra, Anil; Buchkremer, G. (2001) Tabakabhängigkeit.
In Stetter (Hrsg.) Wege aus der Sucht Band 2, Neuland Verlag
5. Bergman, Gustav (1953) Rückschau-
Memoiren eines großen Arztes. Kindler Verlag
6. Bernhard, David (2006) Qualmende Medizinstudenten.
Der Standard 11.3., Printausgabe
7. Branovic, C. (1971) Raucherentwöhnung vor und nach
dem Herzinfarkt. Phys. Med. u. Reha.. 12,277-279
8. Buchkrämer,G., Batra,A.(1995) Tabak Abhängigkeit.
In Faust,V, (Hrsg.) Psychiatrie- Ein Lehrbuch.
Gustav Fischer Verlag
9. Bürger-Prinz, Hans (1971) Ein Psychiater berichtet.
Hoffman&Campe
10.Einecke, Dirk (2006) Deutschland selig Tabakland.
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11. E. Kübler-Ross (2000) Das Rad des Lebens, Droemer Verlag
12. Fowler, G. (1997) in Bollinger, CT The Tobacco epidemic,
Prog. Respir. Res.28,168-177
13. Frank, Erica (2000)Self-care, Prevention and Health
Promotion. In Goldman , L (Hrsg.) The Handbook of
Physician Health. American Medical Association, Chicago
14. Frank, Erika (2004) Personal and clinical exercise
related attitudes and behaviours of US medical students.
abstract of lecture at AMA/CMA International
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15. Gay, Peter (1989) Freud. Fischer Verlag
16. Garattini Silvio (2003) Rauchende Klinikärzte sollen
verbannt werden. ÄZ 31.7.2003
17. Geist, Helmut (2004) Rauchopfer- die tödlichen Strategien
der Tabakmultis, Horlemann Verlag
18. Gottschaldt, Matthias (1997) Alkohol und Medikamente-
Wege aus der Abhängigkeit. Trias Verlag
19. Hirschhorn, Norbert (2000) Shameful science-four decades of the
Germans tobacco industry`s hidden research on smoking
and health. Tobacco Control 9, 242-247
20. Huber (ohne Jahr)
www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/settlement/interviews/huber.html
21. Kaiser Petra (2005) Hausärztinnen und Hausärzte als
Gesundheitsvorbilder. ZFA, 81, 419-422
22. Kugler, Joachim (2001) Interview mit Prof. Dr. Joachim Kugler, www.sachsenlb.de/content/information/branchen_sachsen/
wellness/hintergrund_48547_48550.html
23. Macintyre, Iain (2006) Surgeons` Lives.
Royal College of Surgeons of Edinburgh.
24. Mandell,, H.; Spiro, H.(1987): When doctor`s get sick,
Plenum Medical Publ.. NY.1987
25. Mäulen, Bernhard (2005) Ärzte und Übergewicht.
MMW-Fortschr.Med. 20, 4-11
26. Maurer, Konrad u. Ulrike (1999) Alzheimer, Piper Verlag
27. Niemeyer, Yve (2001) Berufliche Belastung und Beanspruchung
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Dissertationsdruck.
28. NN(2006) Rauchende Lungenärzte?

http://www.med1.de/Forum/Lungenkrebs/218666/

29. Pinner,Max; Miller, B (1952) When Doctors are patients.
Norton , New York
30. Portheine, Friedrich (2005) Lebens(k)reise. Selbstverlag
31. Schmidt, Almut (1997) in Bollinger, CT The Tobacco epidemic,
Prog. Respir. Res.28,159
32. Simpson, David ( 2000 ) Ärzte und Tabak.
Tobacco Control Ressource Center, Europäische Kommission
33. Stößel, Ulrich (2006) Gesundheit und Gesundheitsverhalten
beim Medizinernachwuchs. In Hofmann, Reschauer, Stößel (Hrsg.):
Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Band 19, 205-222
34. Uhlig, Marion (2002) Berufliche Belastung und Beanspruchung
bei Krankenhausärzten und -ärztinnen. Dissertationsdruck
35. Wegner, Ralf (2001) Gesundheitsverhalten und Erkrankungen
bei Ärztinnen und Ärzten im Vergleich mit anderen akademischen
Berufen. In Hofmann, Reschauer, Stößel (Hrsg.):
Arbeitsmedizin im Gesundheitsdienst. Band 14, 219-223