Sexsucht – Zusammenfassung

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Süchtiges sexuelles Verhalten                        

Schriftenreihe der DGDS e.V. Band 3                               Suchtmedizin – aktuell ISBN 3-86135-112-9

VIII. Zusammenfassung sexuelle Abhängigkeit

  • Sexabhängigkeit tritt schätzungsweise bei ca. 1-3% der Erwachsenen auf.
  • Sie ist gekennzeichnet durch zunehmendes sexuelles Phantasieren, Handeln; eine klare Gewöhnung mit Notwendigkeit, Häufigkeit oder Intensität des Verhaltens zu steigern; trotz gravierender Konsequenzen in Familie, Arbeit oder Finanzen wird das Verhalten beibehalten und alle Versuche es zu kontrollieren, scheitern.
  • SA ist keine eigenständige ICD 10 Diagnose. In Frage kommen sexuelle Störung NNB, Paraphilie NNB, Störung der Impulskontrolle NNB.
  • Ein ausführlicher Fragebogen von P. Carnes enthält gegenwärtig 170 Fragen, ist aber z.Z. gar nicht ins Deutsche übersetzt.
  • Sexabhängigkeit ist – wie andere Abhängigkeiten – eine Familienerkrankung.
  • Die Anamnese ergibt bei Sexabhängigen und ihren Partnern/innen sehr oft eine Missbrauchserfahrung (emotional, körperlich, sexuell) in der Kindheit. Oft werden dann aus den Opfern später Täter, so dass mehrere Generationen betroffen sind.
  • Eine genaue Suchtanamnese ist wichtig, denn bei ca. 60% liegt ausserdem eine Abhängigkeit von Alkohol/Medikamenten vor.
  • Bei Mehrfachabhängigen sollte die Substanzabhängigkeit zuerst und anschließend die Sexabhängigkeit behandelt werden.
  • Eine reine Entwöhnungsbehandlung wegen Alkohol/Medikamenten führt offenbar nicht zu Eindämmung des sexuell abhängigen Verhaltens, oftmals eher das Gegenteil.
  • Am Anfang der Behandlung steht die Notwendigkeit einer Phase von 90 Tagen, in denen Betroffene weder mit anderen noch mit sich Sex haben (Zölibatszeit).
  • Gründliche Gespräche über Merkmale gesunder Sexualität gegenüber abhängiger Sexualität sind mehrfach zu führen.
  • Es ist wichtig, sich das sexuelle Verhalten /Erregungskette genau schildern zu lassen.
  • Spezifisch nachzufragen sind Rolle und Ausmaß begleitender Aggression/Gewalt.
  • Individuelle Therapieverträge bezüglich bestimmter Verhaltensweisen können sinnvoll, ja erforderlich sein. Manche Sexsüchtigen werden erst beim Durchbrechen der Fastenregeln als solche erkannt.
  • Immer wieder hinweisen auf die Öffnung zur Wahrheit “sag die Wahrheit früher”.
  • Dies stellt hohe Anforderungen an die Therapeuten/innen. Eine Auseinandersetzung mit den eigenen Höhen und Tiefen der Sexualität ist sehr wünschenswert, kann aber bei normaler Psychotherapie Ausbildung nicht erwartet werden.
  • Bei der Behandlung von sexuellen Tätern/innen ist sorgfältig zu prüfen, wie weit eine Integration in eine Patienten/innengruppe möglich und sinnvoll ist und auch vom Gesamtteam geleistet werden kann. Selbsterfahrung in der Auseinandersetzung mit den eigenen Täteraspekten dürfte ebenfalls sehr wünschenswert sein.
  • Möglichst früh + verpflichtend Besuch spezifischer Selbsthilfegruppen wie SA, SLAA.
  • Sehr wichtig – wie bei allen Süchten – die Einbeziehung der Angehörigen durch Familiengespräche. Hinweise auf Angehörigen Selbsthilfegruppen S-Anon etc.
  • Inzesterfahrungen und deren Wiederholung mit Ärzten/Therapeuten/Priestern finden sich bei Sexabhängigen gehäuft. Es ist auf die eigene Grenzziehung/Grenzgefährdung speziell zu achten (evtl. Supervision).
  • Wer mit Sexabhängigen arbeitet wird Namen und Vorfälle von Kollegen/innen erfahren, die ihre Helferrolle missbraucht und Patientinnen geschadet haben. Überlegen Sie, was Sie den Betroffenen raten und ob Sie selber bereit sind, per Anzeige, Anruf bei berufständischen Organisationen Einhalt zu bieten.

Literatur

  1. Carnes, P.: Wenn Sex zur Sucht wird. Kösel Verlag, München, 1992
  2. Fischer, G.; Becker-Fischer, M.: Sexuelle Übergriffe in Psychotherapie und Psychiatrie. Zwischenbericht für das Bundesministerium für Frauen und Jugend, Bonn, 1994
  3. Irons R.; Schneider J.: The wounded healer – Addiction sensitive therapy for the sexually exploitative Professional. J. Aronson Publ. 1999
  4. Mäulen, B.: Strenges Vorgehen gegen sexuelle Übergriffe. Dt. Ärzteblatt 94 (1997) 2806-2807
  5. Mäulen, B.: Irons, R.: Süchtige Verhaltensweisen im Bereich der Sexualität. In Gölz (Hrsg.): Moderne Suchtmedizin. Thieme Verlag 1998 (ausführliches Literaturverzeichnis, diverse Tabellen)
  6. Schneider, J .; Schneider, B.: Sex, Lies and Forgiveness. Hazelden Educational Materials, 1991.

BERNHARD MÄULEN

Schriftenreihe der DGDS e.V. Band 3
Suchtmedizin – aktuell
ISBN 3-86135-112-9