Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten

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Einführung

Bei allen Diskussionen um das Gesundheitswesen werden im Dickicht der Probleme heute sehr schnell diejenigen vergessen, ohne die das gesamte Gesundheitswesen sinnlos wäre: die ursprünglichen „Leistungserbringer“, die Ärzte. Sie nehmen damit im gesamten System eine Schlüsselrolle ein, die mit entsprechend hohen Erwartungen und Anforderungen an sie verknüpft ist. So finden sich auch besondere staatliche Reglementierungen im gesamten Bereich der ärztlichen Ausbildung, an deren Inhalt und Zielsetzung ein Gesundheitswesen ganz erhebliches Interesse haben muß. Denn die Ausbildung ist im Grunde genommen Dreh- und Angelpunkt, ja die Grundlage dessen, was ein Gesundheitswesen an Qualität und Leistung zu bieten in der Lage ist.

Bei der Zielsetzung dessen, was „der Arzt“ wissen und wozu er fähig sein muß, lassen sich zwar Grundvoraussetzungen beschreiben, die sich seit den Anforderungen an einen Mediziner bei Hippokrates nicht geändert haben sollten. Dennoch ist die Ausbildung zum Arzt entsprechend den Fortschritten der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung immer neu an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Zeit auszurichten, und bei der rapiden Geschwindigkeit dieser Entwicklungen muß sie zwangsläufig immer „im Fluß“ bleiben, um aktuell zu sein.Es stellt sich also bei allen Bemühungen um eine gute Ausbildung immer die Frage, wie eine geradezu systembedingte Trägheit im Ausbildungswesen in Einklang zu bringen ist mit der Notwendigkeit, dem Stand der ärztlichmedizinischen Technik und den damit wachsenden Anforderungen und Ansprüchen der Patienten gerecht zu werden.

Die folgenden Ausführungen können insofern auch nur als Beschreibung dessen betrachtet werden, was grundsätzlich für eine gute ärztliche Ausbildung wichtig erscheint und dem derzeitigen Stand entspricht; und dieser kann sich – bei aller beklagenswerten Trägheit eines Ausbildungs-Systems – doch sehr schnell ändern. So wird zunächst die in Deutschland derzeit geltende Ausbildungs-Ordnung in ihren Grundzügen dargestellt. Es folgt ein kurzer Vergleich mit anderen maßgeblichen Ländern. Anschließend wird auf die Reform-Notwendigkeit des deutschen Ausbildungswesens eingegangen und exemplarisch einige Reformprojekte an deutschen Medizinischen Fakultäten aufgeführt. Schließlich werden die wesentlichen Punkte einer geplanten Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) beschrieben und bewertet. Da in den Diskussionen um den ärztlichen Werdegang häufig unsauber zwischen der Ausbildung einerseits und der Fort- und Weiterbildung andererseits getrennt wird, scheint es wesentlich, darauf hinzuweisen, daß es sich bei der Ausbildung zum Arzt ausschließlich um den Weg bis zur Erteilung der Ärztlichen Approbation, seiner Berufserlaubnis, handelt. Alles, was sich hieran anschließt, gehört in den Bereich der Fort- und Weiterbildung, welche dann zu den Kenntnissen und dem Titel des Facharztes führt.

Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich ausschließlich auf die Ausbildung zum Arzt.


Ärztliche Ausbildung in Deutschland

Der Darstellung, wie in Deutschland die Medizinerausbildung aufgebaut ist, muß als Grundlage zunächst die Komepetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Hochschule vorangestellt werden. Dies unterscheidet sich in der Medizin von den sonstigen akademischen Ausbildungsgängen, deren Regelungskompetenz aufgrund der Kulturhoheit der Länder grundsätzlich bei diesen liegt. Nun obliegt aber in der Medizin die Zulassung zum ärztlichen Beruf der Kompetenz des Bundes. Da aber ohne die Erfüllung bestimmter qualitativer Voraussetzungen im Ausbildungsgang eine Berufszulassung nicht möglich ist, hat sich die Regelung von Ausbildungsfragen mehr und mehr ebenfalls auf den Bund verschoben. Im Zuge dessen hat sich dann auch die Ärztliche Approbationsordnung (ÄAppO), die rechtlich gesehen eine Berufszulassungsordnung ist, de facto zu einer Ausbildungsordnung entwickelt. Sie erfordert die Zustimmung des Bundesrates und wird dann von der Bundesregierung, bzw. dem Bundesminister für Gesundheit (BMG) erlassen.

Das übergeordnete Gesetz hierzu ist zum einen die Bundesärzteordnung (BÄO), zum anderen das Hochschulrahmengesetz (HRG) des Bundes, dessen Ausführung wiederum bei den Ländern liegt. Die Medizinischen Fakultäten wiederum unterstehen einerseits als Untergliederung der Universität dem für die Wissenschaft zuständigen Ministerium, als Teil des Gesundheitswesens allerdings auch dem für die Gesundheit zuständigen Ministerium. Der Vollzug der ÄAppO liegt in der Kompetenz der Länder, sie führen formal die Aufsicht über das Prüfungswesen und erteilen letztlich auch die Approbation. Die Ausgestaltung der Appprobationsordnung und ihre Umsetzung im Sinne einer Studienordnung ist wiederum Aufgabe der einzelnen Fakultät. Diese hat – je nach eigenem Engagement und Gestaltungswillen – dann auch durchaus Gestaltungsspielraum für einen mit eigenen Schwerpunkten „garnierten“ Studienablauf im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Die Mindestdauer des Studiums ist durch die geltenden EG-Richtlinien festgelegt auf 6 Jahre und 5500 Unterrichtsstunden.

Zur Zeit wird in Deutschland gemäß der geltenden ÄAppO (von 1970) in ihrer 8. Novelle (Februar 1999) studiert. Dieses Studium gliedert sich folgendermaßen auf: Der gesamte erste Teil vom 1.-4. Semester, die sog. „Vorklinik“, befaßt sich mit den rein naturwissenschaftlichen Grundlagen (Physik, Chemie, Biologie, Physiologie, Biochemie), sowie den Fächern Anatomie, Medizinische Psychologie, Berufsfelderkundung, Medizinische Terminologie und Geschichte der Medizin. Die erfolgreiche Ableistung dieser Fächer zusammen mit einem 60-tägigen Krankenpflege-Praktikum sowie dem Nachweis über einen Erste-Hilfe-Kurs ist Zulassungsbedingung zur „Ärztlichen Vorprüfung“ (früher auch „Physikum“ genannt). Diese wird sowohl schriftlich (mit Multiple- Choice-Fragen), wie auch mündlich durchgeführt; ihr Bestehen ist Zulassungs-Voraussetzung zum Weiterstudium.Der sich anschließende zweite Teil des Studiums vom 5.-10. Semester, die sog. „Klinik“, besteht wiederum aus zwei Abschnitten: im 5. und 6. Semester werden die klinischtheoretischen Fächer wie Allgemeine Pathologie, Allgemeine Pharmakologie, Mikrobiologie, Klinische Chemie, Radiologie und Biomathematik gelehrt.

Ersten Kontakt mit dem Patienten erhält der Student im Rahmen des sog. „Klopf-Kurses“, den Grundlagen der klinischen Untersuchung, und eines Notfall-Kurses. Beschlossen wird dieser Studienabschnitt mit dem „1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“, dem 1. Staatsexamen (nur schriftlich / MC-Fragen). Nun folgt der zweite Abschnitt der „Klinik“ vom 7.-10. Semester mit allen medizinischen Fachgebieten: Innere Medizin, Chirurgie, Pädiatrie, Gynäkologie, Dermatologie, Urologie, Orthopädie, Augenheilkunde, HNO-Heilkunde, Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik, Allgemeinmedizin, Spezielle Pathologie, Spezielle Pharmakologie und dem Ökologischen Stoffgebiet (Hygiene, Rechtsmedizin, Umweltmedizin, Prävention). Zusammen mit dem Nachweis über mindestens 4 Monate Famulatur in Krankenhaus und Praxis sind das erfolgreiche Bestehen des 1. Staatsexamens sowie die Leistungsnachweise in den aufgeführten Fachgebieten wiederum Zulassungsbedingung zum „2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“, dem 2. Staatsexamen. Dies ist in seinen Inhalten die umfassendste Prüfung; sie wird schriftlich (MC-Fragen) und mündlich abgehalten. Der dritte Teil des Medizistudiums, 11. und 12. Semester, ist als „Praktisches Jahr“ (PJ) der rein praktischen Ausbildung in Universitätskliniken, bzw. der Universität als Lehrkrankenhäuser angeschlossenen Kliniken gewidmet. In drei Teilen von jeweils 4 Monaten Dauer durchläuft der Student hier die Fächer Innere Medizin, Chirurgie, sowie ein von ihm bestimmtes Wahlfach. Abschließend findet dann zum Studium-Ende der „3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung“, das 3. Staatsexamen statt. Dieses wird rein mündlich- praktisch durchgeführt. Alle drei schriftlichen Prüfungen sind zentral und bundeseinheitlich durchgeführte Staatsprüfungen. Ihre Durchführung obliegt den jeweiligen Landesprüfungsämtern (LPA), inhaltlich bestückt werden sie vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz, welches die LPAs 1972 durch Staatsvertrag als zentrale Dienstleistungseinrichtung gründeten.

Die mündlichen Prüfungen dagegen werden als an die Hochschule delegierte Staatsprüfungen in Verantwortung der eigenen Fakultät durchgeführt.Nach erfolgreich abgeschlossenem Studium erhält der Absolvent eine vorläufige, oder auch Teil-Approbation und damit die Erlaubnis zur Tätigkeit als „Arzt im Praktikum“ (AiP). Diese Tätigkeit – 1986/87 eingeführt – erstreckt sich über 18 Monate Dauer und wird mit normalem Arbeitsvertrag im vorwiegend klinischen Bereich abgeleistet. Mit Abschluß dieser AiP-Tätigkeit erhält der Arzt dann – ohne weitere Prüfung – seine Approbation.


Medizinstudium im Ausland: USA, Kanada, Schweiz, Niederlande, Frankreich

Wenn sich Forschung, medizinischer Fortschritt und ärztliche Erfolge zunehmend und ständig dem internationalen Vergleich stellen müssen, dann ist dies für die ärztliche Ausbildung nicht minder wichtig, ja ausschlaggebend. Das deutsche Ausbildungswesen in der Medizin genießt hierbei nicht gerade den besten Ruf – veraltet erscheint im internationalen Vergleich der Aufbau des Studiums, Lehr- und Lernformen und vor allem das Prüfungswesen. Damit dies nicht eine reine Behauptung, oder gar nur Vorurteil bleibt, seien hier kurz zum Vergleich die Strukturen und Prüfungssysteme des Medizinstudiums in den am wichtigsten erscheinenden Nachbarländern aufgeführt:


USA

Die amerikanische Mediziner-Ausbildung gliedert sich in zwei große, formal und institutionell völlig getrennte Abschnitte. Der erste, die sehr naturwissenschaftlich geprägte premedical education, findet an einem College statt und dauert 4 Jahre. Der zweite mit (in der Regel) ebenfalls 4 Jahren Dauer ist dann die eigentliche medical education an einer Medical school. Jede Medical school hat dabei ihr eigenes Curriculum, welches sich lediglich an gewissen Rahmenbedingungen orientieren muß. Famulaturähnliche Einheiten sind Bestandteil des Studiums. Die Prüfungen – „United States Medical Licensing Examination“ = USMLE, Step 1 und 2 – finden im Multiple-Choice-Verfahren statt. Das Studium endet mit dem Titel des M.D. = „medical doctor“, der allerdings noch keine Berufserlaubnis darstellt. Es folgen Pflichtpraktikum (internship) und / oder Spezialausbildung (residency). Hieran schließt sich dann die berufsqualifizierende dritte Prüfung (USMLE 3) an, wonach die unserer Approbation entsprechende Medical Licensure – ungefähr nach 9 – 10 Jahren seit Studienbeginn – erteilt wird.


Kanada

Entsprechend der Einteilung von Kanada in 11 Provinzen ist die Arzt-Zulassung sowie ihre Ausbildung durch jeweilige Zulassungsgesetze und Bedingungen in den einzelnen Provinzen geregelt. Für die Führung des Arztregisters sowie die Entwicklung und Durchführung nationaler Prüfungen ist allerdings eine überregionale Körperschaft, das „Medical Council of Canada“ zuständig.

Verbindlich festgelegt ist allein das Prüfungswesen, welches in zwei Abschnitte – klinisch / theoretisch und praktisch – unterteilt ist. Interessant ist das Curriculum einer besonderen Universität, welches oft als Vorbild und zu Vergleichen herangezogen wird: die McMaster University in Hamilton, Ontario: Das Curriculum, das „die demonstrierte Fähigkeit, klinische Problemstellungen zu identifizieren, zu analysieren und mit ihnen umzugehen“ (Neufeld, Woodward, MacLeod 1989) zum Ziel hat, umfaßt de facto nur 3 Jahre. Allerdings sind die Zulassungsbedingungen beachtlich: ein mindestens 3- jähriges Vorstudium auf irgendeinem Gebiet, Numerus clausus von (entsprechend) 2,0, eine schriftliche Arbeit „Warum möchte ich Medizin studieren – und warum in McMaster“, Empfehlungsschreiben und detaillierter Lebenslauf, Aufnahme-Gespräch, etc. Am Ende dieses Auswahlprozesses werden ca. 3% der ursprünglichen Bewerber aufgenommen! Der Studienablauf sieht dann folgendermaßen aus: In 12 – 15 Wochen langen interdisziplinären Blocks lernen die Studenten vor allem in Kleingruppen („tutorials“). Statt unserer disziplinbezogenen einzelnen Kurse gibt es Lehreinheiten („units“), in denen problemorientiert und stets von Fällen ausgehend das notwendige Wissen erarbeitet und vertieft wird.

Auswahlmöglichkeiten („electives“) bieten dem Studenten die Möglichkeit, selbst Schwerpunkte zu setzen. Im dritten Studienjahr absolvieren die Studenten neben dem kontinuierlichen Kleingruppenunterricht Praktika auf unterschiedlichen Stationen („clerkships“). Es gibt keine kursabschließenden Prüfungen, sondern eine fortlaufende Beurteilung im Rahmen des Kleingruppenunterrichts, sowie speziell entwickelte Prüfungsmethoden („problemsolving evaluation exercises“, „Objective Structured Clinical Examination“ = OSCE).


Schweiz

Das Gesundheitssystem der Schweiz steht unter kantonaler Hoheit. Die Studiendauer beträgt hier 6 Studienjahre. Die inhaltliche Ausgestaltung wieauch das Prüfungswesen obliegt zunächst den Fakultäten und erfolgt in vier bis fünf Schritten. Nach dem 1. und 2. Studienjahr finden die beiden propädeutischen Prüfungen statt, nach dem 3. und 4. Studienjahr der erste Teil der Schlußprüfung. Diese wiederum gliedert sich in 14 Einzelprüfungen, die in Verantwortung der Fakultät durchgeführt werden. Ob sich die Fakultät hierbei für das Multiple-Choice-System entscheidet, ist ihr selbst überlassen. Nach dem 5., meist allerdings 6. Studienjahr findet dann Teil 2 und 3 der Schlußprüfung statt mit 12 mündlichpraktischen und 5 schriftlich-theoretischen Prüfungen, welche nun gesamtschweizerisch und ausschließlich im MC-Verfahren durchgeführt werden. Sind diese bestanden, erhält der Absolvent das eidgenössische Arztdiplom.


Frankreich

Bei einer Studiendauer von 6 Jahren gliedert sich die französische Mediziner- Ausbildung in zwei Teile: P.C.E.M. (Premier Cycle des Etudes Médicales = 2 Jahre, Vorklinik) und D.C.E.M. (Deuxième Cycle = 3.-6. Jahr, Klinik). Wichtigstes Merkmal des französischen Ausbildungssystems ist ein fakultätsbezogener Numerus clausus, der – entsprechend einer Bedarfszulassung und der aktuellen Ausbildungskapazität – vorschreibt, wieviele Studenten an einer bestimmten Universität zum zweiten Studienjahr zugelassen werden. Die Auswahl wird am Ende des ersten Studienjahres durch eine Rangreihenfolge („Sélection sur Classement“) getroffen, deren Kriterien wiederum allein von der Fakultät festgelegt werden. Nur wer diese Hürde erfolgreich besteht, wird zum Weiterstudium zugelassen. Einzige Vorschrift für die Durchführung dieses „Auswahlverfahrens“ ist die Durchführung schriftlicher Prüfungen, egal ob Multiple-Choice-Verfahren oder Modified-Essay-Questions. Gesetzlich festgelegt sind die Fächer sowie Höchst- und Mindeststundenzahlen der Lehre. Es gibt in Frankreich keine zentralen Prüfungen im Sinne eines Staatsexamens. Jeder, der nach der Zulassung zum zweiten Studienjahr die darauf folgenden Fakultätsinternen Universitätsprüfungen erfolgreich ablegt, erhält nach 6-jährigem Studium und Bestehen der gleichnamigen Prüfung das „Cértificat de synthèse clinique et thérapeutique“ seiner Universität und kann sich nach mindestens 2-jähriger Weiterbildungszeit (Résidanat) als Allgemeinmediziner niederlassen.


Großbritannien

Im englischen System ist die Regelstudienzeit von 5 Jahren in zwei Abschnitte – vorklinisches und klinisches Studium – unterteilt. Im Rahmen von „Empfehlungen zur Grundausbildung“, die vom General Medical Council herausgegeben werden, entwickelt jede Universität mit einer Medical School ihr eigenes Curriculum. Im ersten Studienabschnitt über 2 Jahre werden alle theoretischen Fächer abgehandelt und geprüft. Der klinische Teil erstreckt sich dann über 3 Jahre und beinhaltet eine intensive Ausbildung am Krankenbett, die ganztags in den Universitätskliniken und angeschlossenen Krankenhäusern stattfindet. Der Unterricht erfolgt in Kleingruppen von 5- 10 Studenten. Zusätzlich werden jedem Studenten ca. 6 Patienten zugewiesen, für deren Anamneseerhebung, Untersuchung und Vorstellung bei der Visite er zuständig ist. Ergänzend finden Seminare, Referate, sowie Vorlesungen statt. Die Ausbildung an der Universität schließt mit einer theoretischen und einer klinisch-praktischen Prüfung ab, nach deren Bestehen der Absolvent den Titel eines M.B. = Bachelor of Medicine oder eines B.S. = Bachelor of Surgery und eine Genehmigung zur eingeschränkten Berufsausübung erhält. Diese berechtigt ihn zur Tätigkeit unter Aufsicht als „Junior House Officer“ in Krankenhäusern des National Health Service. Nach einem Jahr (Preregistration year) solcher (ganztägiger) Tätigkeit (mindestens 4 Monate Innere Medizin und 4 Monate Chirurgie) erhält er dann die Approbation als praktischer Arzt, mit der er – theoretisch – frei praktizieren könnte. Da der private Sektor in Großbritannnien allerdings sehr klein ist und keine wirkliche Alternative zum National Health Service darstellt, streben nahezu alle Ärzte eine Weiterbildung zum Gebiets- oder Allgemeinarzt an.


Reformprojekte an deutschen Universitäten

Sowohl im eigenen Land wie auch im Blick auf die internationale Konkurrenzfähigkeit wird das deutsche Ausbildungswesen heftig kritisiert. Es scheint gemessen am medizinischen Fortschritt, wie aber auch an der Entwicklung von modernen Ausbildungs- und Prüfungssystemen völlig überaltert. Kritik besteht im wesentlichen an folgenden Punkten:

  • zu viel naturwissenschaftliche Theorie und reine Methodik
  • strikte Trennung der Fächer und zu wenig Verknüpfung zwischen denselben
  • zu geringer Stellenwert der Lehre neben der Forschung
  • zu wenig Patienten-Orientierung und Praxisnähe
  • zu große Gruppen in der praktischen Ausbildung
  • zu wenig Vermittlung von Ethik, Ökonomie und Management in der Medizin
  • veraltetes Prüfungswesen mit ausschließlich Multiple-Choice-System und zu geringer Wertung der mündlich-praktischen Anteile
  • an das Studium angehängte Phase als „Arzt im Praktikum“ (AiP)

Angesichts des wachsenden Unmutes über diese Unzulänglichkeiten der Ausbildung wurden an einigen Medizinischen Fakultäten in den letzten 10 -20 Jahren viele eigene Modellversuche und Projekte ins Leben gerufen, die im Rahmen der geltenden Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) für eine Verbesserung der Ausbildung vor Ort und für mehr Motivation bei Lehrenden und Lernenden sorgen sollen. Zum Teil entstanden die Arbeitsgruppen hierfür allein auf studentische Initiative, an manchen Universitäten ließen sich aber auch Professoren und Verwaltung von vornherein mit ins Boot nehmen. Aufgrund der meist sehr positiven Erfahrungen mit solchen Modellversuchen ist es wichtig zu erwähnen, daß sie nahezu alle im gesetzlichen Rahmen der derzeit geltenden Approbationsordnung durchzuführen waren. Die Approbationsordnung läßt also Raum für ein besseres Studium über die gesetzlichen Mindest-Anforderungen hinaus!

Offensichtlich ist dies mit der Initiative und dem Engagement von einzelnen Studenten und Hochschullehrern vor Ort auch möglich. Sie alle sind der Beweis dafür, daß die Verbesserung der deutschen Mediziner-Ausbildung keine Utopie bleiben muß! Aus der Fülle von einzelnen Reformprojekten an den Medizinischen Fakultäten sollen hier nur exemplarisch drei dargestellt werden, die sich dabei an Inhalt, Umfang und entsprechend auch an Aufwand deutlich unterscheiden:

1. Beispiel: „Reform“ des vorklinischen Unterrichts im Rahmen der geltenden ÄAppO auf Initiative des Lehrstuhles

Anatomie am Lebenden / Hannover (s. Göbel / Remstedt, 1995)

Weit über den Präparations-Kurs an der Leiche hinaus geht an der Medizinischen Hochschule Hannover der Anatomie-Unterricht. Im Rahmen eines zweisemestrigen Pflichtkurses werden neben der Präparation an der Leiche Vorlesungen, Seminare und mehrere freiwillige Zusatzveransaltungen angeboten. Eines der Seminare ist die „Anatomie am Lebenden“. Hier untersuchen die Studenten sich selber, bzw. gegenseitig (Inspektion der äußeren Körperformen, Tasten von Knochen, Messen der Gelenkbewegung nach der Neutralnullmethode, Puls-Tasten aller oberflächlichen Arterien, Prüfung von Nervendruckpunkten und Reflexen, Abgrenzung der segmentalen und peripheren Innervationsgebiete der Haut, Perkussion / Auskultation von Herz, Lunge, Leber, Milz, Magen, Dickdarm, Aufmalen der Projektion der inneren Organe auf die vordere und hintere Rumpfwand, Spiegeln von Auge und Ohr). Sinn der Übung ist, zunächst mit dem gesunden Körper vertraut zu werden, bevor es in der Klinik oft nur noch um den kranken Körper geht. Außerdem kann dem vorklinischen Studenten hier beim Untersuchen schon etwas über die Arzt-Patienten-Beziehung vermittelt werden.

2. Beispiel: Reformprojekt zusätzlich zur Pflicht-Ausbildung auf studentische Initiative hin

Ergänzendes Stationspraktikum (EStP) / Würzburg

Grund für die Einführung eines „Ergänzenden Stationspraktikums“ (EStP) in das klinische Studium war mangelnde Praxisnähe in der Ausbildung; Idee und Vorbild für dieses Projekt stammt aus Münster und dem dortigen „Münsteraner Modell“. Eine (während der Projektphase noch in den Semesterferien liegende) Woche praktisches Lernen am Krankenbett unter Anleitung eines Arztes soll die Möglichkeit geben, als einzelner Student – und nicht wie sonst nur in der Gruppe – auf einer Inneren oder Chirurgischen Station das theoretische Wissen in die Praxis umzusetzen. Entscheidend hierbei ist die Einbeziehung außeruniversitärer Krankenhäuser der Grundversorgung – weg von den oft allzu spezifischen und seltenen Krankheitsbildern der Uni-Kliniken. Im Unterschied zu den üblichen Famulaturen wird diese praktische Ausbildung durch die Erarbeitung von Lernzielkatalogen strukturiert.Die Organisation des Projektes liegt ganz in den Händen der Studentenvertreter in der Fachschaft, erfolgt aber in Abstimmung mit der Medizinischen Fakultät und in Zusammenarbeit mit den Chefärzten der beteiligten Krankenhäuser. Mit diesen findet auch in regelmäßigen Abständen ein gemeinsames Gespräch und Erfahrungsaustausch statt.

Dieser ist zur gegenseitigen Rückmeldung und auch für mögliche Verbesserungen äußerst hilfreich. Hervorzuheben ist, daß die Motivation der Ärzte in den beteiligten außeruniversitären Krankenhäusern, die alle in einem Umkreis von 100 km zur Universität liegen, ausgesprochen groß ist; der Anreiz, hierdurch in die universitäre Lehre einbezogen zu sein, wirkt sich sehr positiv aus! Entsprechend berichten die Studenten dann auch von äußerst lohnenden Erfahrungen von der so unkomplizierten wie lehrreichen Zusammenarbeit mit den „Lehrern“ vor Ort. Immerhin bedeutet die Teilnahme für einen Studenten doch nicht unerheblichen Aufwand mit Unterbringung, Fahrt- und Verpflegungskosten. Das Ziel, das EStP als ergänzende Pflichtausbildung in den Semesterplan einzubeziehen, konnte trotz aller guten Erfahrungen und großem Engagement der Studenten dabei allerdings noch nicht erreicht werden.

3. Beispiel: Reformmodell neben, bzw. statt der geltenden ÄAppO

Reformstudiengang Berliner Modell (s. Scheffner, 1993)

Entstanden als studentische Initiative zu Zeiten der Studentenstreiks im Winter 1988 hat sich am Rudolf-Viorchow-Klinikum in Berlin eine „Arbeitsgruppe Reformstudiengang“ gebildet, die über 10 Jahre hinweg einen Entwurf für einen kompletten Reformstudiengang Medizin an der (jetzt:) Charité / Humboldt-Universität erarbeitet hat.


Ziel

Im Mittelpunkt dieses alternativen Studienganges steht ein praxisbezogeneres Studium, in dem theoretische und praktische Inhalte fachübergreifend angeboten und die Eigeninitiative der Studenten gefördert werden soll. Ausbildunsgziel ist „der Arzt, der befähigt ist, zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Gesundheit und Wohlbefinden auf individueller und gesellschaftlicher Ebene beizutragen. Er soll sowohl zu einer fachspezifischen Weiterbildung wie auch zu einer Tätigkeit in einer wissenschaftlichen Institution befähigt sein.“Struktur Die zentrale Lehr- und Lernmethode stellt das sog. „Problemorientierte Lernen“ (POL) dar. Sinn dieser Methodik ist, exemplarisch und in Zusammenhängen denken zu lernen und nicht mehr nur reines Faktenwissen anhand eines Gegenstandskataloges reproduzieren zu können. Lernziele sollen definiert und dann in Kleingruppen erarbeitet werden. Die Inhalte kehren hierbei in Form einer „Lehr- und Lernspirale“ mit zunehmender Komplexität im gesamten Studienverlauf immer wieder. Die inhaltliche Trennung zwischen Vorklinik und Klinik wird aufgehoben.

Der erste Studienabschnitt (1.-5. Sem.) orientiert sich weitgehend an Organen und Organsystemen. Der zweite Abschnitt (6.-10. Sem.) ist nach Lebensabschnitten des Menschen gegliedert und umfaßt zudem mehrwöchige Blockpraktika in klinischen Fachgebieten. Im Anschluß ist wie bisher das Praktische Jahr vorgesehen. Wöchentliche Seminare und Übungen zu Themenbereichen wie „Grundlagen ärztlichen Denkens und Handelns“, „Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens“, „Interaktion“, etc. sollen die Studenten befähigen, „medizinische Inhalte in Zusammenhang mit psychosozialen Aspekten zu stellen und kommunikative Kompetenzen zu erwerben“. Prüfungen Ganz neu ist auch die geplante Prüfungsform mit Semesterabschlußprüfungen nach jedem Halbjahr. Hierbei werden Prüfungsmethoden angewandt, die statt rein kognitivem Fachwissen auch anwendungsbezogene Lernerfolge messen sollen: OSCE wie „Objective Structured Clinical Examinations“ und MEQ wie „Modified Essay Questions“ – eine sicher sinnvolle Ablösung der reinen Multiple-Choice-Fragen der letzten 25 Jahre!

Das Studium wird dann mit dem letzten Abschnitt der „regulären“ ärztlichen Prüfung (Drittes Staatsexamen) im Rahmen der geltenden ÄAppO nach dem 12. Semester abgeschlossen. Evaluation In Zusammenarbeit mit dem Institut für Statistik in Berlin soll das Projekt von einer kontinuierlichen externen Evaluation begleitet werden. Da dieses Reform-Modell den Rahmen der gültigen ÄAppO für den Regelstudiengang sprengt, hat Berlin lange dafür gekämpft, daß in die geltende Fassung der ÄAppO eine sog. „Modellklausel“ eingefügt wird, um dasvorliegende Projekt neben dem Normalstudiengang durchführen zu können. Dem wurde im Februar 1999 durch den Bundesrat schließlich zugestimmt. Seit dieser Einfügung in den sonst unveränderten Verordnungstext, die die Durchführungsmodalitäten und nötige Mindest-Voraussetzungen für solche Modellversuche regelt, ist die derzeit geltende Approbationsordnung die sog. „8. Novelle der ÄAppO“. Am 5. Februar 1999 hat der Bundesrat grünes Licht gegeben (BR-DS 1015 / 98) – im Oktober 1999 ist das „Berliner Modell“ nach zehnjähriger Vorbereitung und einem Kostenaufwand von bisher 4,5 Mill. D-Mark mit 64 Studenten gestartet.


Reform der Ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO) / Planung und Probleme

Nach 7 Novellierungen der ÄAppO von 1970, die trotz mancher Veränderungen keine wesentliche Fortentwicklung des deutschen Medizinstudiums brachten, wurde angesichts der – gerade auch im internationalen Vergleich – immer deutlicheren Defizite der Ruf nach einer grundlegenden Reform der Ausbildung immer lauter. Letzten Anstoß gab in den Jahren 1986 und 1989 der Bundesrat (BR-DS 372/86, bzw. 632/89) mit seiner Aufforderung an die Bundesregierung, in einer grundsätzlichen Reform des Medizinstudiums folgende Punkte aufzunehmen:

  • engere Verzahnung von klinischen und vorklinischen Ausbildungsinhalten
  • Ausbau der patientenorientierten Lehre
  • Verstärkung des praktischen Unterrichts am Patienten
  • stärker fächerintegrierendes Studium
  • Einführung von Wahlpflichtfächern, sowie von Blockunterricht und -praktika
  • Anpassung der Zahl der Medizinstudenten an die Ausbildungsmöglichkeiten

Im Herbst 1989 wurde daraufhin beim Bundesministerium für Gesundheit eine „Sachverständigengruppe zu Fragen der Neuordnung des Medizinstudiums“ eingesetzt, die eine umfassende Neuregelung des Medizinstudiums erarbeiten sollte. Im Zusammenklang mit allen Beteiligten – Lehrenden wie Lernenden, ärztlichen und Verbands-Vertretern, den Wissenschaftlichen Fachgesellschaften und dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) sowie den politisch Verantwortlichen aus Bund und Ländern – entstand hierbei ein Konzept (sog. „Diskussionsentwurf von 1993/95“), dessen wesentliche Grundzüge hier dargestellt seien: Zieldefinition Der eigentlichen Approbationsordnung vorangestellt werden soll eine Zieldefinition über das, was am Ende der Ausbildung erreicht sein soll. Diese ist streng genommen die wesentliche politische Aussage dieses Verordnungstextes und schreibt den Wert der Approbation fest.

Es soll heißen: „Ziel der ärztlichen Ausbildung ist der wissenschaftlich und praktisch in der Medizin ausgebildete Arzt, der zur eigenverantwortlichen und selbständigen ärztlichen Berufsausübung, zur Weiterbildung und ständiger Fortbildung befähigt ist.“Aufhebung der Trennung zwischen Vorklinik und Klinik Durch eine neu strukturierte Aufteilung des Studiums in 2 x 5 Semester (statt vorher 4 + 2 + 4) wollte man der Bundesrats-Forderung Rechnung tragen. Durch Straffung der vorklinischen, rein theoretischen Fächer und dem Vorziehen mancher klinischer Inhalte in den ersten Teil des Studiums sollte die geforderte Verzahnung realisiert werden. Weil dieser Vorschlag (5 + 5) allerdings am Widerstand des Medizinischen Fakultätentages (MFT) scheiterte, einigte man sich im letzten, jetzt dem Bundesrat vorliegenden Entwurf (BR-DS 1040/97) auf eine Strukturierung in zwei Abschnitte von 4 + 6 Semestern. Entsprechend müssen dann auch die Prüfungen reduziert werden (s. unter Prüfungswesen). An den jeweils anschließenden zwei Semestern des Praktischen Jahres soll festgehalten werden. Verbesserung des Unterrichts Insbesondere durch fächerübergreifende Vermittlung sowie stärkere Ausrichtung auf die allgemeinmedizinische und hausärztliche Kompetenz des Arztes soll mittels neuer Lehrformen wie Seminaren, gegenstandsbezogenen Studiengruppen und Tutorien in Zukunft weniger das einzelne Fach im Vordergrund stehen, als vielmehr die einzelnen Organsysteme von mehreren Seiten betrachtet werden und später dann die Gesamtsicht des Patienten. Hierzu bedarf es sehr guter Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Lehrstühlen, Instituten und Hochschullehrern. Blockpraktika Als deutliche Stärkung des praktischen Unterrichts sollen während des Semesters Praktika auf Station von 1 – 6 Wochen Dauer eingeführt werden. Hierbei soll in enger Zusammenarbeit mit einem jeweils zugewiesenen Arzt und in Koppelung mit der zugehörigen theoretischen Unterweisung der klinische Alltag zur Ausbildung genutzt werden.

Wahlpflichtfächer Sowohl im ersten wie auch im zweiten Teil des Studiums muß zusätzlich zu den Pflichtfächern ein Fach gewählt werden, mit dem sich der Student vertiefend beschäftigt. Dies bietet zum einen Gelegenheit, eigene Interessen verstärkt zu verfolgen, zum anderen aber auch die Möglichkeit für die Fakultät, Schwerpunkte zu setzen. Einbeziehung außeruniversitärer Krankenhäuser Angesichts des sehr speziellen und meist schwerkranken Patientengutes an den Universitätskliniken gewinnt die Hinzuziehung von außeruniversitären Krankenhäusern der Grundversorgung in die universitäre Lehre immer mehr an Bedeutung. Die Bereitschaft dieser Krankenhäuser hierzu ist ausgesprochen groß, die Zurückhaltung der Fakultäten diesbezüglich allerdings auch. Hinzu kommt das Problem, daß eine solche Hinzuziehung von zusätzlicher Ausbildungskapazität sich nicht in der Studentenzahl niederschlagen darf, also kapazitätsneutral erfolgen müßte. Eine wirkliche Einigung hierhingehend ist noch nicht erzielt. Prüfungswesen Entsprechend der neuen Strukturierung der Semesteraufteilung muß sich das Prüfungswesen verändern. Anstelle von derzeit Ärztlicher Vorprüfung und drei Staatsexamina soll es in Zukunft nur noch insgesamt drei Examina geben: nach dem 5., nach dem 10. und nach dem 12. Semester. Hinzu kommen allerdings verstärkt Leistungsnachweise („Scheine“), deren Durchführung und Bewertung bewußt mehr in die Verantwortung der Hochschulen gegeben wird.

Durch diese bewußte Ausweitung der Gestaltungsfreiheit derHochschule soll Lehre und Prüfung wieder stärker verknüpft werden („man lehrt nur gerne, was man auch prüfen darf“!). Diskutabel ist dies auch für das 1. Staatsexamen (nach dem 5. Semester). In jedem Fall bundesweit einheitlich soll das 2. Staatsexamen durchgeführt werden, sowohl schriftlich wie mündlich-praktisch. Das 3. Staatsexamen soll unter Erweiterung auf allgemeinmedizinische Aspekte wie gehabt nur mündlich-praktisch in Verantwortung der Fakultät abgehalten werden. Bei der Gewichtung und Benotung all dieser Prüfungen soll in Zukunft der mündlich-praktische Anteil deutlich mehr zum Tragen kommen. Bezüglich der schriftlichen Prüfungen wird es – weiterhin in Zusammenarbeit mit dem IMPP in Mainz – auch neue Formen wie z. B. Fallstudien geben. Modellstudiengang Als neuer Paragraph sollte in eine reformierte ÄAppO die Möglichkeit von Modellstudiengängen aufgenommen werden. Dies wurde inzwischen – unabhängig von einer Gesamtreform – im Februar 1999 vom Bundesrat als Einfügung in die geltende ÄAppO (jetzt: 8. Novelle) beschlossen.

So, wie in der Gesamtreform als letzter Paragraph geplant, sind damit die rechtlichen Grundlagen für die Erprobung von ganz eigenen Reformstudiengängen geschaffen, die in ihrer Gestaltung von vielen Vorschriften der ÄAppO abweichen dürfen. So müssen beispielsweise von den vorgesehenen Prüfungen des Regelstudienganges die Ärztliche Vorprüfung und der erste Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nicht in zwingender Weise abgelegt, sondern lediglich das letzte Examen im bundeseinheitlichen Verfahren durchgeführt werden. Auch die Aufteilung der Fächer und Fachgebiete, die gesamte praktische Ausbildung etc. kann in die Verantwortung der jeweiligen Hochschule gelegt werden. Durch die Einführung solcher Modellstudiengänge sollen neben der Motivation zu mehr Engagement in Reformbemühungen vor allem auch wissenschaftliche Evaluations-Ergebnisse erzielt werden, mit Hilfe derer geklärt werden soll, ob „zukunftsweisende Studiengestaltungen“ besser zur Mediziner-Ausbildung geeignet sind als der Regelstudiengang. In diesem Falle können sie dann als Grundlage für eben solche Reformen innerhalb eines reformierten Regelstudienganges dienen. Hintergrund dieser „Vorab-Entscheidung“ war ein Einzelantrag aus Berlin, um den dort in den letzten 10 Jahren entwickelten und weit gediehenen „Reformstudiengang Medizin“ an der Charité / Rudolf-Virchow-Klinikum nicht zu gefährden (s. Kapitel IV „Reformprojekte“).Abschaffung der AiP-Phase Kommt es zu einer wie hier skizzierten Reform und damit zu einer praxisorientierten medizinischen Ausbildung, so würden die – vielfach angezweifelten – Gründe für die Phase als Arzt im Praktikum (AiP) entfallen.

Die Streichung des AiP muß dann insofern zeitversetzt zur Umsetzung einer neuen Approbationsordnung geschehen, daß der „erste“ Student, der das Studium nach einer neuen ÄAppO durchlaufen hat, keine AiP-Phase mehr ableisten muß. Dieser geplanten Abschaffung des AiP muß allerdings zusätzlich zur Approbationsordnung durch eine entsprechende Änderung der Bundes-Ärzte-Ordnung (BÄO) Rechnung getragen werden. Die Arbeit an diesem Konzept mit allen Zwischenergebnissen und Kompromiß- Vorschlägen, die aufgrund heftigen Widerstandes (vor allem durch den MFT) notwendig waren, erstreckte sich über mehrere Jahre. 1997/98 konnte es dann schließlich als Verordnungsvorlage vom Bundesminister für Gesundheit, Horst Seehofer, nach Abstimmung in der Bundesregierung dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden (BR-DS 1040/97). Hier traf das Konzept auf breite Zustimmung unter den Gesundheitsminister dern Länder, scheiterte aber am Widerstand der Kultusminister der Länder, die eine mit diesem Reformvorschlag geplante Absenkung der Studentenzahl strikt ablehnen. Der weitere Fortgang der Reformbemühungen steht offen. Fraglich ist vor allem, ob die SPD/Grüne-geführte Bundesregierung am vorgelegten Konzept festhält und mit den Kultusministern zu einer Lösung kommt, oder ob das Verfahren und die Erarbeitung einer neuen ÄAppO ganz neu aufgerollt wird.


Ausblick

Je unklarer der Fortgang einer Reform der ÄAppO auf höchster Ebene durch den Verordnungsgeber nun ist, umso wichtiger sind die „kleinen“ Reformen und die Motivation dazu vor Ort. Wie beschrieben und in einigen Beispielen dargestellt, gibt es derer ja viele – zum einen für die tatsächliche Ausbildungsverbesserung an der einzelnen Fakultät, zum anderen aber auch als Grundlage für die „großen“ Reformbestrebungen. Solange durch einzelne Initiativen gezeigt, ja bewiesen wird, daß bessere Lehre möglich ist, solange kann auch eine grundsätzliche Reform der ÄAppO keine bloße Utopie bleiben.Dabei sind die allermeisten dieser „Modellversuche“ doch bereits jetzt im Rahmen der geltenden Approbationsordnung möglich – dies zeigt, daß letztlich viel mehr von der Motivation und dem Engagement von einzelnen Professoren und Studenten und von einem guten Zusammenspiel zwischen Lernenden und Lehrenden abhängt als vom reinen Gesetzestext. Offensichtlich besteht aber noch viel zu wenig Motivation oder gar Vermögen zur substantiellen Weiterentwicklung der Ausbildung im Hinblick auf die Patienten- und Praxisorientierung an den deutschen Fakultäten, und zudem mangelt es ihren Vertretern, dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), am Willen hierzu.Denn wer eine wirkliche Reform will, der kann sich nicht mit Modellversuchen zufriedengeben.

Deshalb ist eine für alle festgeschriebene Reform auf bundesweit verbindlicher Basis notwendig und unumgänglich. Der Reform-Einsatz lohnt sich also. Und dabei bleibt zu hoffen, daß in der weiteren Diskussion die oben beschriebenen wesentlichen Reform-Ideen nicht untergehen und mit einer nächsten ÄAppO der Fortentwicklung der deutschen Arzt-Ausbildung eine Chance gegeben wird. Zum einen, um im internationalen Vergleich zu bestehen und im Gesundheitswesen konkurrenzfähig zu bleiben, zum anderen aber und vor allem, um dem Sicherstellungsauftrag des Staates für seine Bürger gerecht zu werden. Die Qualitätssicherung der ärztlichen Ausbildung muß oberstes Gebot in der Fortentwicklung des Gesundheitswesens werden.


Quellen / Literatur

W. Hardegg, M. Schäfer, A. Nelle, A. Richterich: Untersuchung ausländischer Prüfungssysteme im Studiengang Medizin im Zusammenhang mit den Diskussionen zur neuen Approbationsordnung für Ärzte; Druck: Medizinischer Fakultätentag, 1995

E. Göbel, S. Remstedt: Leitfaden zur Studienreform in Human- und Zahnmedizin; Mabuse-Verlag, 1995

W. Esch: Medizinstudium und Weiterbildung in den USA; Münster 1985

D. Scheffner: Reformstudiengang Medizin – Entwurf für ein neues Curriculum; Deutsches Ärzteblatt, Heft 14, 4/1993

Siebente Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte vom 21.12.1987, BGBl.I, Nr. 62, S. 2549ff

Reform-Konzept einer Approbationsordnung für Ärzte, BR-DS 1040/97

Achte Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte, BR-DS 1015/98 (Beschluß vom 5.2.1999)

Dr. med. Bettina Boxberger

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