Behandlung von suizidalen Ärzten, Prävention

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Behandlung suizidaler Ärzte, Prävention
 

Zunächst ein dringender Rat an alle Kollegen, die vielleicht selber ab und an suizidale Gedanken oder Impulse verspüren- Holen sie sich Hilfe! Egal wo, bei ihrem Arzt des Vertrauens, initial im Internet, oder aus Angst, daß etwas rauskommt diskret bei einem weit entfernten Fachkollegen, geben sie sich eine Chance und geben sie einem Behandlungsversuch Chancen. Egal wie düster oder verzweifelt sie sich fühlen, bedenken Sie viele Ärzte, die nach einem Suizidversuch überlebten, finden zu einem besseren und gesünderen Leben zurück!
Ärzte, die einen Suizidversuch erwägen oder durchführen sind verzweifelt, oft voller Einsamkeit und Scham und brauchen schnelle, kompetente Hilfe. Möglichst o h n e Wartezeit sollten sie eine Krisenintervention bei einem Kollegen bekommen. Dabei gilt zunächst, daß die beste antisuizidale Behandlung die der Grundkrankheit ist- also Entgiftung und Entwöhnung bei Sucht, Neuroleptika bei Psychosen etc. Engmaschige ambulante Unterstützung, ggf. antidepressive Pharmako-Therapie, kurzfristige oder länger dauernde stationäre Behandlung sind auch bei Ärzten wichtig. Lassen Sie sich nicht davon abbringen, hier professionell und kompetent die Erfahrungen ihres Fachgebietes einzusetzen, machen sie keine vorschnellen Ausnahmen! So mancher Arzt hat dies mit seinem Leben bezahlt. So subjektiv kränkend, beruflich unangenehm ein stationärer Aufenthalt auch sein mag, die Folgen eines zu inkonsequenten Vorgehens können hier schlimm sein. Also behandeln Sie den Arzt mit einer Suizidgefährdung zunächst mal als Patienten, der auf ihre Festigkeit und Objektivität angewiesen ist. Beachten Sie als behandelnder Arzt auch die eigene Psychohygiene! Suizidale Patienten belasten i.d.R. sehr stark, wecken vielfältige Gegenübertragungs Gefühle und konfrontieren uns als Behandler mit unserer Ohnmacht. In besonderer Weise gilt dies auch für die Behandlung von Ärzten mit Suizidalität. Ich persönlich war mehrfach nach Gesprächen, in denen mir Kollegen detailliert erzählten wie sie voller Verzweiflung ihren Suizid planten, wie sie vorgingen, was sich im Einzelnen abgespielt hat und was sie bis zum Schluß erlebten und dachten, sehr mitgenommen und brauchte Unterstützung im Team.
Die wegen Eigengefährdung mehrfach eingewiesene Psychiaterin Jamison formulierte über das Vorgehen ihres Arztes: “Er wich keinen Millimeter von seiner Diagnose und seinen Empfehlungen für die Behandlung ab… und es flößte mir großen Respekt ein, daß er alles so klar erkannte, daß er sich offensichtlich um mich sorgte und sich nicht davor drückte, eine unangenehme Nachricht mitzuteilen” (Jamison, 1999).
Sicher ist- die meisten Ursachen für einen Suizid sind einer Behandlung gut zugänglich, viele Ärzte, die einen Suizidversuch überlebten, sind darüber froh und haben wieder ein privat und beruflich gutes Leben führen können. Andere, deren Krankheiten chronisch sind, haben gelernt, damit zu leben.

Präventive Aspekte

Im Hinblick auf die Bedeutung der Suizide von Ärzten erscheint die Reaktion der organisierten Ärzteschaft zu gering (König 2001). Hier könnte wesentlich mehr getan werden sowohl in der universitären Ausbildung, wie in den klinischen Kollegs, wie in den Mittwochs- Fortbildungen der niedergelassenen Ärzte. Es reicht nicht, lediglich auf die erhöhte suizidale Gefährdung hinzuweisen. In den USA werden telefonische Hot Lines eingerichtet, in größeren Universitätsteams spezielle Ansprechpartner für ärztliches Personal benannt und ihre Telefonnummern sowie Sprechstunden ausgehängt. Prof. Michael Myers, Vancouver, hat angesichts hoher Suizidzahlen von Ärzten ein Video Band erstellt, das er auf Fachkonferenzen und im studentischen Unterricht zeigt. Man hört, die Reaktionen und Erlebnisse der Hinterbliebenen nach dem Suizid eines Arztes , eine Kollegin erzählt , wie sie ihre Suizidhandlung überlebte, Hilfe fand und wieder gesund wurde. Hier zählt nicht die rein faktische Information sondern auch die Gelegenheit zur emotionellen Berührung und ggfs. Identifikation. In Deutschland gibt es zwar einiges an Publikationen zum Ärztesuizid, jedoch werden Statistiken alleine die hohe Schwelle von Ärzten sich Hilfe zu holen nicht senken. Hochschullehrer an den Universitäten sollten Ärzte bevorzugt und unter Umgehung der Wartezeit als Patienten annehmen, eingedenk dessen, daß Ärzte sich eh sehr spät melden. Da die Angst vor Bloßstellung bei vielen Kollegen gerade was Suizidalität angeht sehr hoch ist, sollten auch Hinweise auf Kliniken, die schnell und diskret aufnehmen, immer wieder präventiv gegeben werden.

Sonstige Hilfen :

BÜCHER :
Asmus Finzen: Suizidprophylaxe bei psychischen Störungen,-
Prävention. Behandlung, Bewältigung.
Psychiatrie Verlag Bonn 1997

Manfred Wolfersdorf: Der suizidale Patient in Klinik und Praxis.
Wissenschaftliche VG Stuttgart 2000

INTERNET:
www.uke.uni-hamburg.de/Clinics/Psych/TZS/TZS_d.html
Therapie Zentrum für Suizidgefährdete, Hamburg
www.aerztegesundheit.de;
www.verletzte-helfer.de (Online Forum)
www.depressions-Sprechstunde.de/Suizid/DSS_suizid.htm

Anschrift des Autors:

Dr. med. Bernhard Mäulen
Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie
St. Nepomukstraße 1/ 2
78048 Villingen-Schwenningen

Literatur
1. Ärztezeitung vom 7.9. 2000: Ein Selbstmord aus Protest.
2. Bämayr,A.: W. Feuerlein: Suicidhäufigkeit bei Ärzten und Zahnärzten in Oberbayern.
Social Psychiatry 21, 39-48, 1986
3. Baldwin, D.; Rudge, S. (1995) Depression and suicide in doctors. In: Lichtfield P. (Hrsg.)
Health Risks to the Health Care Professional. Royal College of Physicians of London
4. Benzenhöfer, Udo: Nürnberger Ärzteprozess-die Auswahl der Angeklagten. Dt. Ärzteblatt 45, A2929,1996
5. Bergmann, Gustav von: Rückschau. Kindler Verlag, 1953
6. Bleker, J., S. Schleiermacher: Ärztinnen aus dem Kaiserreich. Deutscher Studien Verlag, 2000
7. British Medical Association: The morbidity & mortality of the medical profession. BMA, London 1993
8. Bulgakov, Michail: Arztgeschichten. Luchterhand, Darmstadt, 1972
9. Bürger-Prinz, Hans: Ein Psychiater berichtet. Knaur Verlag, München, 1973
10. Finzen, Asmus: Suizidprophylaxe bei psychischen Störungen,- Prävention. Behandlung,
Bewältigung. Psychiatrie Verlag Bonn 1997
11. Flintrop, Jens: Mobbing im Krankenhaus. Deutsches Ärzteblatt, 98, A742-747, 2001
12. Forßmann, Werner: Selbstversuch- Erinnerungen eines Chirurgen.. Droste Verlag, 1972
13. Gathmann, P.; Semrau, C.: Der verwundete Arzt. Kösel Verlag, München, 1996
14. Gehring, Robert: Suchtrezept- Der Kampf eines drogenabhängigen Arztes. Blaukreuz Verlag Wuppertal, 1987
15. Grellner, Wolfgang, M. Kuknuk; F. Glenewinkel: Zur Suizidmethode von Ärzten, medizinischem Personal und verwandten Berufsgruppen. Archiv für Kriminologie, 201, 65-72, 1998
16. Grotjahn, Alfred: Ärzte als Patienten. Georg Thieme Verlag, 1929
17. Guterson, D.: Östlich der Berge. Berlin Verlag, Berlin 1999
18. Hagan, J.; Richards, J.: In sickness and in Health. Doctors` Health Advisory Service,
Wellington, New Zealand, 1997
19. Hecht, A.: Nichts bleibt wie es ist – die Konsequenzen der deutschen Vereinigung für das
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Gesundheitswesen? Merz Verlag, Mainz 2000
20. Hoche, 1934
21. Jamison, Kay R. Meine ruhelose Seele- Geschichte einer manischen Depression. München: Wilhelm Goldmann Verlag 1999
22. Kind, J., T. Giernalczyk: Chronische Suizidalität als Regulativ pathologischer Objektbeziehungen.
Krankenhauspsychiatrie, 11, Sonderheft 2, 102-106, 2000
23. König, Frank: Suizidalität bei Ärzten. Deutsches Ärzteblatt, 98. A-3110-3111, 2001
24. Kuiper, Piet (1995) Seelenfinsternis- Die Depression eines Psychiaters.
Frankfurt: Fischer Verlag
25. Mäulen, B. (1999): Beruf Ärztin- Nicht ohne Nebenwirkungen. MMW-Fortschr. Med. 141, 4-7, 1999
26. Mäulen, B. Wenn Kollegen trinken- Nicht die Augen verschließen. MMW-Fortschr. Med. , 142, 4-10, 2000 a
27. Mäulen, B. : Schwerer Abschied vom weißen Kittel. MMW-Fortschr. Med. 142, 4-10, 2000 b
28. Mäulen, B.: Ärzte – Versager in der Ehe? Münchener Medizinische Wochenschrift, 142,4-8, 2000 c
29. Meixner-Wülker, E.: Angehörige um Suizid- gegen die Mauer des Schweigens. Didot Verlag, Bonn, 1998
30. Moesler, T.A.: Zur Suizidalität bei Ärzten. Nervenheilkunde 12: 128-131, 1994
31. Payk, Theo: Psychiater- Forscher im Labyrinth der Seele. Kohlhammer Verlag Stuttgart, 2000
32. Reimer, C., H. Jurkat, B. Mäulen, F. Stetter: Zur Problematik der Suchtgefährdung von berufstätigen Medizinern. Psychotherapeut 46 , 376-385, 2001
33. Sartorius: Sekunden vor dem Tod. Blaues Kreuz Verlag Wuppertal, 1987
34. Schönberger, Alwin: Patient Arzt- der kranke Stand. Ueberreuter Verlag, Wien 1995
35. Scholz, Albrecht: Der Suizid von Dermatologen in Abhängigkeit von politischen Veränderungen.
Hautarzt 48;929-935, 1997
36. Schultz, J.H.: Lebensbilderbuch eines Nervenarztes. Thieme Verlag,Stuttgart, 1964
37. Shem, Samuel: House of God. Knaur Verlag , TB 1998
38. Silverman, Mortom: Physicians and Suicide. In (Goldman, Larry Hrsg.) The Handbook of physician Health.
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39. Weressajew- Bekenntnisse eines Arztes