Belastungen der Arztehe

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“Frauen von Ärzten sind Witwen mit Mann”
 

Die Ehen von Ärzten und Ärztinnen sind zahlreichen Belastungen ausgesetzt. Viele sind spezifisch und haben viel mit dem Medizinberuf zu tun: Zu lange Dienstzeiten, zu häufige Abwesenheit an Wochenenden, sehr lange Ausbildungszeiten, beruflich notwendige Umzüge, um den Facharzt zu komplettieren, nächtliche Anrufe, die auch den Partner aufwecken, eine Dominanz des Themas Praxis/Patienten, hinter dem oft alles andere sekundär ist. Bis heute scheint die Ausbildung der Ärzte einseitig emotionale Kontrolle, Abspaltung persönlicher Bedürfnisse, Verschieben persönlicher Gratifikation sowie intellektuelle Dominanz zu fördern. Genau diese Eigenschaften erschweren dann private Beziehungen, die emotionale Öffnung, Hingabe, Zuhören und Teilen, Spaß haben und Ausgelassensein brauchen.

Auch wenn sich dieses Bild nach meinem Eindruck bei den jüngeren Ärzten heute wandelt, war es lange Zeit so, dass in vielen Arztehen ein ungeschriebener Ehevertrag galt: “Ich kümmere mich um die Medizin und Du um den Rest.”

Die Erfüllung des am Anfang der Arztehe vorhandenen Traums auf eine Beziehung mit Zeit und Austausch wurde dabei je nach Ausbildungsabschnitt immer weiter nach hinten geschoben: “Erst muss das Examen geschafft werden, das verstehst Du doch Liebling.” Dann kam die Facharztausbildung, dann evtl. die eigene Praxis, die erst ins Laufen gebracht werden musste. Lief sie dann, wurde der Arzt zum Gefangenen der eigenen Tüchtigkeit. Was blieb den Partnern? Wut, stille Anpassung, Resignation, Leere, Kompensation über Status und finanzielle Sicherheit? Dem Baseler Professor Kielholz wird in diesem Zusammenhang die Äußerung zugeschrieben “Frauen von Ärzten sind Witwen mit Mann.”

Die Folgen der o. g. Belastungen sind für die Ärzte und die Partner teilweise recht verschieden. Eine innere und oft auch äußere Entfremdung betrifft meist beide, wird aber von der Frau oft als schwer wiegender erlebt. Die Ärzte kompensieren meist mit längerer und härterer Arbeit, als könnten sie mit grenzenloser Hingabe an den Beruf alle Vorwürfe a priori entkräften. Wenn dann die Frauen beginnen, sich mehr um die eigene Entwicklung zu kümmern, vergrößert sich oft die Distanz.

Der Mangel an Gespräch und emotionaler Öffnung verschärft das Problem. Als Gründe führen Ärzte oft chronischen Zeitmangel, Müdigkeit oder innerliches Ausgebranntsein an.
Wünsche der Ehefrau nach Kommunikation empfinden manche als Zumutung. Ohne diesen Austausch wird aber die Beziehung als flach und unbefriedigend erlebt.