Lachen gegen den Stress: Interview mit Patch Adams

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Lachen gegen den Stress -eine BEGEGNUNG mit Patch Adams
EINLEITUNG zum Interview mit Patch Adamss –

Vielen Ärzten ist angesichts beruflicher und privater Sorgen das Lachen vergangen.
Zu be- ja oft überlastet erleben sie ihren Alltag, ein erheblicher Prozentsatz fühlt sich am Rande des burn- out . Bernhard Mäulen, als Leiter des Instituts für Ärztegesundheit immer auf der Suche nach Wegen, die ärztliche Psychohygiene zu fördern, hat sich mit Dr. Hunter Patch Adams (56 Jahre), dem weltweit wohl bekanntesten Arzt und Clown aus West Virginia, USA, getroffen. Er wird manchem Leser mit seiner Lebensgeschichte durch den Film “Patch Adams” bekannt sein. Die heute in vielen Kliniken und insbesondere auf Kinderstationen auflockernd, heilungsfördernd und allen mutmachende Präsenz von Klinik Clowns geht auf seine Pionierarbeit in den siebziger Jahren zurück. Keine Frage, große und kleine Patienten profitieren von den Clowns in Kliniken, die für Momente Schmerzen vergessen machen, Kraft geben zum Weiterleben und daran erinnern, dass außer Krankheit und Leid auch noch anderes im Leben existiert.
Doch was ist mit den Ärztinnen und Ärzten- können auch sie sich von diesem Humor anstecken lassen, etwas abgucken von diesem Pionier?

Frage: Patch, Wie sieht Deine Vision der Medizin aus?

Patch Adams: Das Rückgrat in unserem Projekt, das nun bald 32 Jahre läuft, war stets das Krankenhaus. Dort wird jedes einzelne Problem der Fürsorge angegangen: Kostenlose Behandlung, keine Kunstfehlerversicherung, Vier Stunden Befragung zu Beginn mit jedem Patienten, alle Heilkünste arbeiten zusammen. Hier soll die Medizin mit den darstellenden Künsten integriert werden, sowie mit Kunsthandwerk, Landwirtschaft, Natur, Erziehung, Erholung. Das ist sehr radikal und war immer das Projekt.

Frage: Wie steht es mit den Ärzten für dieses Krankenhaus?
Patch Adams: Obwohl wir sehr wenig zahlen können, habe ich Hunderte von Ärzten, die mir gesagt haben, ich komme zu Dir und arbeite, sobald das Krankenhaus eröffnet. Diese Ärztinnen und Ärzte würden sichere Stellen aufgeben, nur um wieder eine Medizin zu betreiben, für die sie sich begeistern können. Bei meinen Vorträgen in zahlreichen Ländern auf der ganzen Welt sagen mit die Doktoren und Medizinstudenten ” wir brauchen wieder Mitgefühl in unser -Praxis” Das ist meine Arbeit.

Frage: In Deutschland leiden viele Ärzte unter den Arbeitsbedingungen, manche sind völlig erschöpft und sehen immer weniger Sinn in ihrer Arbeit.
Was würdest Du ihnen raten?

Patch Adams: In den USA und den meisten anderen Ländern, geht es unglaublich vielen Ärzten ähnlich wie Euch in Deutschland. In diesem primär auf Geld aufgebauten System gibt es letztlich keine Zufriedenheit. Man muß sich entscheiden, was man will und dann aussteigen. Allerdings heißt das auch auf das gesamte Drum herum wie Ansehen, Mercedes, country club etc. verzichten. In einem Wertesystem von Geld und Macht kann man sich an nichts halten, und deshalb geht es den Leuten schlecht, der Erfolg ist für sehr wenige erreichbar. Aber wenn der Erfolg im Lieben und in der Fürsorge liegt, dann ist jeder ein Gewinner, sobald er beginnt. Man muß es einfach tun.
Schau mal, wenn ich auf einen Hausbesuch gehe, dann nehme ich mir vor den Menschen kennen zu lernen. Wie lebt er, wie sind seine Beziehungen, was ist ihm wichtig? Ich kann unglaublich neugierig sein und einfach Schubladen und Schränke öffnen. Ich will alles über den Patienten wissen. Erst dann kann ich ihm wirklich begegnen und Vorschläge zur besseren Gesundheit machen.
Frage: Du hast ja auch selber nach dem Studium radikal Deinen eigenen Weg gesucht oder?
Patch Adams: Ja das war sehr spannend und unglaublich hart. 1971 habe ich das Gesundheitsinstitut gegründet. Wir haben die Patienten in unserer family practice von 71-83 ohne Vorbedingung aufgenommen, sie haben mit uns zusammen gelebt; das war manchmal bei psychiatrischen Patienten nicht ungefährlich; sicherlich haben meine Familie und meine Kinder nicht das gehabt, was die anderen Ärzte und ihre Familien hatten, aber es war doch ungemein befriedigend. Ich habe in all den Jahren dieser Praxis keine einzige Kunstfehlerprozess Klage gehabt.

Frage: Was ist Deine zentrale Botschaft an die Patienten und die Ärzte?
Patch Adams: Ich habe entdeckt, dass Spaß ebenso wichtig ist, wie Liebe und Leben. Gesundheit basiert auf glücklich sein. Menschen sehnen sich nach Lachen, als ob es eine essentielle Aminosäure wäre- Es ist diese Botschaft, die ich versuche weiterzugeben.
Mein Workshop “ein freudiges Leben führen” ist sehr populär. Die Leute zahlen eine Menge Geld dafür, dass ich ihnen sage “Liebe das Leben”. Ich kann ihnen die Idee geben, aber was sie damit machen, das ist ihre persönliche Entscheidung. Alles ist in Wirklichkeit persönliche Entscheidung. Man kann sich entscheiden zu lieben. Man kann wählen komisch zu sein oder sich für Fürsorge und Gerechtigkeit einzusetzen- genauso wie man wählen kann, den Schwerpunkt auf Geld und Macht zu setzen.

Frage: Du selbst warst nicht immer glücklich, oder?
Patch Adams: Ja das stimmt. Als junger Mann im College war ich so bedrückt und suizidal, dass ich freiwillig in die geschlossene Abteilung des Fairfax Krankenhauses gegangen bin. Dort wurde mir zum ersten Male klar, dass ich Einfühlungsvermögen für andere Menschen habe. Ich habe damals beschlossen, durch die Medizin etwas für andere zu tun und außerdem keinen schlechten Tag mehr zu erleben. Ich beschloss statt einem ernsten, Angst bestimmten, typischen, normalen Erwachsenen ein glücklicher, liebender Mensch zu sein. Daran habe ich mich seit 38 Jahren gehalten. Es gibt nun Clowns in Krankenhäusern auf der ganzen Welt. Schon durch meine Kleidung bringen ich die Menschen oft zum lachen. Auch heute noch gehe ich zusammen mit anderen Clowns dorthin, wo Menschen unglücklich sind, insbesondere Kinder, etwa in Südamerika, oder auch in Afghanistan.

Frage: Wie begegnen Dir ärztliche Kollegen bei Deinen Vorträgen?
Patch Adams: Viele fühlen sich durch mich bedroht! Ich sage meine Ansichten recht ungeschminkt z.B. daß ich irgendwann gemerkt habe, dass die meisten Menschen einschließlich der Ärzte, an der gleichen Leere, Einsamkeit und Langeweile leiden, die in den großen Werken der Literatur beschrieben ist. Auch während meiner Studienzeit an einer sehr konservativen medizinischen Fakultät habe ich offen ausgesprochen, wie gedankenlos, ungerecht, rassistisch mancher Unterricht für die Medizinstudenten war. Das hat mich in große Schwierigkeiten gebracht. Aber zugleich haben die Kollegen auch gesehen, dass ich hart arbeite, sehr gute medizinische Kenntnisse habe und mich für alle Patienten einsetze. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kollegen, die sich entscheiden wieder mehr Spaß in ihrem Beruf zu erleben. Diese unterstützen mich.

Frage: Der Film “Patch Adams” hat Dich unglaublich bekannt gemacht, wie hat sich das in Deinem Leben ausgewirkt?
Patch Adams:Dadurch bekomme ich nun die Mittel, um mein Krankenhausprojekt, das so viele Jahre nur ein Traum war, realisieren zu können. Nach all den Jahren des Projektierens können wir nun daran gehen, dieses Krankenhaus zu bauen. Wenn ich ein Pessimist wäre, würde ich all das Geld für mich behalten und mit hübschen jungen Frauen große Feste feiern. Stattdessen arbeite ich 7 Tage in der Woche für Frieden, Gerechtigkeit und Fürsorge. Ich nutze meinen Ruhm, ich bin lauter.
Jeden Tag bekomme ich mehr Briefe, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. In denen steht, wie mein Leben und meine Arbeit das Leben anderer positiv verändert. Ich bin optimistisch, deswegen setze ich mich ein. Ich bin überzeugt, dass wir uns ändern können.
Ich will jeden Tag ein glückliches, vibrierendes, volles Leben führen, denn das ist ein gesundes Leben.
Das Interview führte Dr. Bernhard Mäulen, Leiter d. Instituts für Ärztegesundheit, Villingen
MMW-Fortschr.Med Nr.41/2002 (144 Jg.) Seite 8



Kommentar zu meinem Treffen mit Patch Adams

Erwartet hatte ich einen Clown, ein heiteren Fröhlichkeit verbreitenden Menschen. Dies war dann auch mein erster Eindruck, als ich diesem ca 1,95 großen US Amerikaner gegenübertrat, der mit langem grauen Zopf, kurioser Kleidung (siehe Foto) und weit ausholender Gestik definitiv die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Sobald ich ihm dann aber meine Fragen stellte merkte ich schnell, hier sitzt auch ein blitzgescheiter Kopf, der parallel a) bewegende Patientengeschichten, b) Statistiken aus dem Gesundheitsbereich (überwiegend amerikanisch), c) Dichter und Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts zitieren kann und dann d) noch ausführlich und in schneller Sprache über seine Vision eines neuen Gesundheitssystems spricht. Da musste ich mir schon echt Mühe geben um so schnell mitzukommen und dazwischen die eine oder andere Frage anzubringen; zumal mit mir auch Roland Schutzbach und Christine Gutknecht ( vom Projekt Global Players) ihre Fragen stellten.
Nicht ganz so einfach tat ich mich und tue ich mich auch mit den auf die Ärztegesundheit bezogenen Antworten von Patch Adams, was ihm sicher gefallen wird, denn er provoziert gerne. Die meisten seiner Antworten für Ärzte zielen in einen Bereich, der letztlich auf die bewusste Distanz zum System und eine alternative, grass roots Gesundheitsorganisation zum Null Tarif hinausläuft. Das wird und kann nicht der Weg für das gros der Kollegen und Kolleginnen sein. Die Botschaft, innerhalb eines auch auf wirtschaftlichen Erfolg aufgebauten Gesundheitssystems gäbe es keine Zufriedenheit, ist mir zu einseitig, und sie stimmt meines Erachtens auch nicht. Ich könnte nicht so wie Patch Adams, der über eine nahezu unverwüstliche Pioniernatur verfügt und oft über mehrere Wochen nur 2-5 Stunden schläft, immer in Aktion sein, täglich 18 Stunden arbeiten.
Auch habe ich trotz persönlichem Interview und Besuch seines Vortrages “Freude der Fürsorge” noch nicht den Dreh bekommen, selbst Clown zu werden. Vielleicht bin ich auch zu ernst oder gehemmt, obwohl ich ja schon gerne lache und dies auch mit Patch getan habe. Ist es ein Mentalitätsunterschied zwischen den Deutschen, die über alles erst nachdenken müssen und Amerikanern, die locker drauf sind? Auch das glaube ich nicht. Was ist es dann? Vielleicht die Radikalität und Entschiedenheit, mit der dieser Dr. Hunter Patch Adams für seine alternativen und nur teilweise spaßigen Ideen eintritt, für die er soziale Sicherheit, Karriere oder Privatleben im üblichen Sinn völlig aufgegeben hat.
Nun- machen Sie sich selbst einen Eindruck.
Patch Adams kommt mehrmals im Jahr nach Deutschland zu Vorträgen und Seminare wie “Lachen weil der Arzt kommt” und anderen.

Anfragen bezüglich Seminaren und Vorträgen mit Patch Adams: Förderkreis für Ganzheitsmedizin Bad Herrenalb, Sägwasenplatz 4, 76322 Bad Herrenalb

Bücher von Patch Adams:
Gesundheit! 12&12 Verlag Oberursel; ISBN 3-930657-24-4
Hausbesuche. Heyne Verlag, ISBN 3-453-15991-8

Website von Patch Adams: www.patchadams.org

Zitate aus dem Buch “Gesundheit!” 12&12 Verlag Oberursel

- Ich merkte, dass die meisten Menschen – einschließlich vieler Fachleute in der gesundheitsfürsorge- an der gleichen Leere, Einsamkeit und Langeweile litten, die in den großen Werken der Literatur beschrieben wird, die ich gelesen habe. Sie führten ein Lebeen voll stiller, schriller Verzweiflung.

- Nach mehr als zwanzigjähriger Suche habe ich kein einziges Krankenhaus gefunden, in dem eine glückliche Atmosphäre herrschte.

- Ärzte benötigen die Freiheit mit den Patienten zu weinen, sie zu umarmen, ihre Arme zu streicheln und die gleiche Fürsorge zurückzubekommen.

- In der medizinischen Praxis mit all ihren Unvollkommenheiten muß ein Arzt damit rechnen, Fehler zu machen, einen Schaden bei Patienten zu verursachen.

- Der Doktor braucht die Beziehung, damit Nähe zum Schmerz und Leid sowie seine Hilflosigkeit, viele Patienten nicht heilen zu können, seine Seele nicht zerstören.

- Das bedrückendste Gesundheitsproblem für viele Menschen ist die Kombination von Stumpfsinn, Angst und Einsamkeit.