Sucht bei Priestern und Pfarrern

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DHS Konferenz 2000 Seminar 111 Zusammenfassung:
Auf der diesjährigen Konferenz der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) wurde in einem Seminar die Thematik der Sucht bei Priestern bearbeitet.
Neben therapeutischen Helfern waren auch Geistliche der katholischen und evangelischen Kirche Teilnehmer. Insgesamt wurde deutlich, daß die Versorgung suchtkranker Geistlicher in den beiden großen christlichen Kirchen zur Zeit nicht gut ist. Trotz durchaus überzeugender Hilfe in Einzelfällen wird ein professionelles Vorgehen, wie es sich
in der Industrie beim Umgang mit alkoholkranken Mitarbeitern bewährt hat, in den Kirchen noch nicht bundesweit praktiziert. Wohl gibt es auch in einzelnen Kirchen Suchtvereinbarungen, aber die Umsetzung wird viel zu wenig von den jeweiligen Chefs (Bischöfe und Oberkirchenräte) gefördert. Die ca 4.000 suchtkranken Priester und Pfarrer werden insofern schlechter versorgt, als ihre Gemeindemitglieder. Dabei stehen sowohl innerkichlich wie im allgemeinen Suchthilfesystem genügend qualifizierte Berater /Therapeuten zur Verfügung. Es scheint, als ob die suchtspezifische Versorgung von Ordensmännern und Frauen sogar noch hinter der von Weltpriestern zurück bleibt. Für eine spezifische Hilfe sollten vorhandene Informationen besser ausgetauscht werden. Auch benötigen Suchttherapeuten/innen, die mit suchtkranken Geistlichen arbeiten ein spezielles Können und Wissen.
Weitere Informationen durch Anklicken der nachfolgenden Stichpunkte:

Sucht bei Priestern und Pfarrern – Einführung

Suchterkrankungen bei Priestern und Pfarrern sind ein schwieriges Thema, wenig Öffentlichkeit,
Meistens unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzieht sich hier sehr viel Leid;

Die Betroffenen Priester –darin sind sich die Fachleute einig- haben eine noch höhere Schwelle zur Nutzung von Hilfsangeboten zu überwinden, als Abhängige aus der Bevölkerung.
Gründe

  • bei den Priestern (hohes Ich Ideal, besondere Scham),
  • bei den Arbeitgebern, den Kirchen ( unzureichende Umsetzung bestehender Hilfansätze /Betriebsvereinbarungen; wenig Vorbilder trockener Priester/ Geistlicher, die bekannt sind; scheinbar mangelnde Unterstützung von den jeweiligen Bischöfen, u.U. Fehlerwartung durch eine stärkere Spirituelle Praxis z.Bsp. Gebete ließe sich die Krankheit Alkoholismus heilen)
  • bei den Therapeuten/innen (Berührungsängste, pauschale Distanz zur Religion/ mangelnde Kompetenz für die Berufsgruppe).

Es scheint als ob die psychosoziale Begleitung und Behandlung von Priestern weit hinter der der Allgemeinbevölkerung zurück bleibt.

Positive Behandlungserfolge bei abhängigen Priestern/Pfarrerinnen oder Ordensgeistlichen werden kaum bekannt gemacht, die entsprechende Literatur wird in Deutschland wenig gelesen oder in der Ausbildung verwandt.

Im Vergleich zu den USA herrscht eine deutlich größere Befangenheit, mit dem Thema zumindest in die Fachöffentlichkeit zu gehen- keine vergleichbare Institution zu NCCA.
Etwa im Jahre 1960 hielt Bill W., der Mit Begründer der AA eine Rede vor katholischen Priestern:

“Ich muß sagen, daß einige meiner engsten Freunde Priester sind, die durch AA in die Genesung gekommen sind. Von Zeit zu zeit höre ich von ihrer speziell schwierigen Situation.
Zwar haben Priester einige Vorteile, aber sie haben auch handicaps. Wie Ärzte sind sie Experten in der Behandlung von Menschen- Priester behandeln mit Gottes Gnade die Seelen von Menschen. Priester fühlen oft eine große Bürde an Schuld. Die Rückseite der Münze “Schuld” trägt dann
oft die Inschrift “falscher Stolz”. Es ist hart für einen Priester sich von Menschen, die nie eine religiöse Ausbildung bekamen, etwas sagen zu lassen. Dies gilt übrigens auch für Ärzte, insbesondere für Psychiater
.

Priester und Alkohol

  • Priester und Pfarrer sind im Beruf häufig mit Alkohol konfrontiert bei feiern, Hausbesuchen, Jugendveranstaltungen etc. Sie werden nachdrücklich eingeladen:
  • Mancher Pfarrer/in trinkt regelmäßig abends zur Entlastung
  • Viele Geistliche kennen einen Mitbruder/Mitschwester, der / die trinkt , wissen aber nicht wie zu helfen ist
  • Es gibt persönliche Erfahrungsberichte von großer Eindrücklichkeit z.B. Aime Duval “Warum war die Nacht so lang” oder Father Pfau “Prodrigal Shepherd” oder Friedrich Strub im Deutschen Pfarrerblatt mit einem Erfahrungsbericht Bei allen wird klar: die Sucht verläuft auch für geistliche Berufe in den bekannten Bahnen und zerstört Gesundheit, Selbstachtungs, soziale Bezüge und das Gebetsleben / die Spiritualität. Alle bekannten Komplikationen wie Lebererkrankung, Delir, Verzweiflung und Suizidalität, Führerscheinverluste, Nachlassen der beruflichen Fähigkeiten treffen auch für Geistliche zu.
  • Alle Konfessionen sind betroffen, zölibatäre wie verheiratete Geistliche, weltliche und Ordenspriester, alle Hierarchie Ebenen sind betroffen, auch Bischöfe.
  • Alle Formen von Sucht und Abhängigkeit gibt es auch bei Priestern und Pfarrern.
    Neben Alkohol kommen häufig Medikamente als Suchtstoffe vor,
  • Nicht stoffgebundene Süchte sind keineswegs selten bei Priestern etwa
    süchtige sexuelle Verhaltensweisen sowie Kaufsucht. Wenn Priester wegen dieser
    Süchte auffällig werden, ist oft mit tiefer liegenden Störungen zu rechnen


Diagnostik von Suchtkrankheiten bei Priestern und Pfarrern

  • Oft schwierig und verschleppt
  • 1000 Kontakte aber wenig Möglichkeit zur Fremdanamnese
  • wenig /keine Angehörige Ausnahme evangelische Pfarrer mit Partnern/innen
  • Terminprobleme
  • Leider immer noch wenig Rückmeldungen aus dem Arbeitsbereich
  • Privatpatienten mit hoher Wahlmöglichkeit
  • !!! Besonders wichtig gründliche Anamnese, Versuch zur Fremdanamnese bei Unklarheiten
  • Zusammenhang von der beruflichen Arbeit mit der Sucht, Feiern und andere Trinkanlässe
  • Art des Trinkens abends alleine zu hause, vorwiegend in Gemeinschaft
  • Vorkommen heimlichen Trinkens
  • Peinliche Zwischenfälle/ Führerschein/Begleitsüchte
  • Berufliche Probleme- Abmahnungsgespräche /Hilfsgespräche mit Personalvorgesetztem
  • Falls möglich “spirituelle Anamnese”


Therapie von abhängigen Priestern und Pfarrern

  • Neben den Grundzügen allg. Suchttherapie spezielle Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich
  • Mit einem gründlichen Vorwissen für die Bereiche Psychologie sowie einem erheblichen Maß
    an intellektueller Abwehr (Rationalisierung) muß gerechnet werden
  • Standardkonzepte müssen flexibel gehandhabt werden z.B. was die Offenlegung der
    Sucht im sozialen Umfeld angeht; mache Priester teilen es der Gemeinde von der Kanzel mit, andere behalten es aus guten Gründen für sich, daß sie suchtkrank sind.
  • Angesprochen werden sollten durch den Therapeuten/in die Bereiche
    * Sucht als Krankheit und nicht als Sünde/Charakterfehler
    * Einsamkeit- Beziehungsstörungen
    * Sexualität / Zölibat
    * Berufung – Hintergründe für die Berufswahl
    * Mögliche Konflikte im Amt
    * Scham und Schuld
    * Wertebilder –Über Ich Normen- Ich Ideal
    * Umgang mit Emotionen speziell Ärger, Wut,
    * Erschöpfung / burn out
    * Selbsthilfegruppen,
    * das Konzept der höheren Macht in den 12 Schritte Gruppen

Es sollten bereit gestellt werden:

  • Information über gruppenspezifische Merkmale von Priestern
  • Informationen über und Kontakt zu trockenen Priestern/Pfarrern
  • Literatur über Sucht bei Priestern z.B. “Warum war die Nacht so lang”, Internetadressen
  • Hinweise auf überregionale Priester -Selbsthilfegruppen
  • Information über die Wege um eine gültige Meßfeier mit Traubensaft statt Wein zu feiern
  • Wenn eben möglich sollte ein Theologe Teil des Teams sein ggfs. auch extern
  • Die Möglichkeit mit kirchlichen Personalvorgesetzten zu sprechen sollte genutzt werden und
    zwar sowohl für die Fremdanamnese als auch für die wichtige Unterstützung in der Nachsorge Arbeit
  • Hinweise auf spezifische Fortbildungen und Unterstützungswege im katholischen Bereich
    z.B. von der KSA, Katholische Sozialethische Arbeitsstelle in Hamm



Vernetzung mit spezifischen Hilfsangeboten/Stellen für suchtkranke Priester/Pfarrer

Es ist für die Therapie suchtkranker Priester und Pfarrer wichtig, daß die Behandler/innen Kontakte aufbauen zu:

  • Personalverantwortlichen in Kirchen
  • Therapiestätten, die Priester behandeln und ggfs. auch einen Theologen im Team haben
    z.B. Fachklinik Kamillushaus, Essen; Oberbergklinik, Hornberg; Fachklinik Ringgenhof.
  • Zentrale Aus- und Weiterbildungsinstitute für Priester z.B. die KSA Hamm
  • Einzel Personen, die spezielle Kompetenz und z.T. Eigenerfahrung haben wie Pfarrer Wietkamp, Pater Weber, Herr Ruh von der KSA, Herr Janßen vom Kreuzbund
  • mit Fachgutachtern die helfen können, ein schlüssiges Gesamtkonzept für einen abhängigkeits- kranken Priester/Pfarrer zu erarbeiten, d.h. Vor und Nachsorge koordinieren
  • geeignete Adressen:
    Bischöfliches Ordinariat, Herr Hermann Steur, Postfach 9, 72101 Rottenburg;
    Gesamtverband Sucht der Diakonie, Frau Hellas, Kutschenwaldstrasse 2, 34117 Kassel;
    KSA, Thomas Becker/Herr Ruh, Ostenallee 80, 59071 Hamm; ksa-hamm@t-online.de
    Pater Dietmar Weber OSC, Fachklinik Kamillushaus, Heidhauserstr. 273, Essen;
    Herr Janßen, Kreuzbund e.V. Selbsthilfe/ Helfergemeinschaft für Suchtkranke, Münsterstraße 25, 59065 Hamm, Tel. 02381/672720 www.kreuzbund.de

 

Voraussetzungen auf Seiten der Therapeuten/innen für die Therapie suchtkranker
Priestern/Pfarrern/Pfarrerinnen

  • solide Suchtkompetenz
  • Klarheit über die eigene religiöse Sozialisation
  • Reflektierte Position zum 12 Schritte Programm, speziell zur “Höheren Macht”
  • Kenntnisse über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Priestern, Pfarrern /-innen
  • Ggfs. Auseinandersetzung mit modernen Werken der seelsorgerischen Begleitung wie
    Anselm van der Grün, Henri Nouven etc.
  • Beschränkung auf die persönliche Berufskompetenz,
  • Abstinenz von der Übernahme berufsfremder Rollen wie z.B. Seelsorger; das machen die nämlich in der Regel besser
  • verstärkte Lektüre der Lebensgeschichten abhängiger Priester z. B. Duval, Pfau, u.a.
  • vertiefte Auseinandersetzung von Fragen von persönlicher Verantwortung und Schuld
    z.B. in Salloch Vogel “Zur Schuldfrage in der Therapie” im Tagungsband “Sinnfragen
    und Suchtprobleme. DHS 1986
  • unter Umständen auch Kenntnisse von Schriftstellen der Bibel über das Trinken
  • Vertrauheit mit Therapieerfahrungen von Priestern und Ordensleuten z.Bsp durch Buchlektüre von : Martin Hofmeier: Priester und Ordensleute nach einer Therapie Vier Türme Verlag Münsterschwarzach 1997
  • geeignete Adressen:
    Bischöfliches Ordinariat, Herr Hermann Steur, Postfach 9, 72101 Rottenburg;
    Gesamtverband Sucht der Diakonie, Frau Hellas, Kutschenwaldstrasse 2, 34117 Kassel;
    KSA, Thomas Becker/Herr Ruh, Ostenallee 80, 59071 Hamm; ksa-hamm@t-online.de
    Pater Dietmar Weber OSC, Fachklinik Kamillushaus, Heidhauserstr. 273, Essen;
    Herr Janßen, Kreuzbund e.V. Selbsthilfe/ Helfergemeinschaft für Suchtkranke, Jägerallee 5, 59071 Hamm http://www.kreuzbund.de


Qualifikation der Therapeuten/innen für die Therapie
suchtkranker Priestern/Pfarrern/Pfarrerinnen

  • solide Suchtkompetenz
  • Klarheit über die eigene religiöse Sozialisation
  • Reflektierte Position zum 12 Schritte Programm, speziell zur “Höheren Macht”
  • Kenntnisse über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Priestern, Pfarrern /-innen
  • Ggfs. Auseinandersetzung mit modernen Werken der seelsorgerischen Begleitung wie
    Anselm van der Grün, Henri Nouven , Dietmar Weber, Pfarrer Wietkamp etc.
  • Beschränkung auf die persönliche Berufskompetenz,
  • Abstinenz von der Übernahme berufsfremder Rollen wie z.B. Seelsorger;
    das machen die nämlich in der Regel besser!
  • verstärkte Lektüre der Lebensgeschichten abhängiger Priester z. B. Duval, Pfau, u.a.
  • vertiefte Auseinandersetzung von Fragen von persönlicher Verantwortung und Schuld
    z.B. in Salloch Vogel “Zur Schuldfrage in der Therapie” im Tagungsband “Sinnfragen
    und Suchtprobleme. DHS 1986
  • unter Umständen auch Kenntnisse von Schriftstellen der Bibel über das Trinken
  • Wissen über die wichtige Rolle der höheren Macht / des Glaubens für die Abstinenz
    vieler trockener Abhängiger
  • Kenntnisse der Grundzüge der Selbsthilfegruppen speziell der Wurzeln im Glauben
    z.B. bei den AA, dem Kreuzbund, dem Blaukreuz u.a.


Einige Zahlen zum Problem suchtkranker Priestern/Pfarrern/Pfarrerinnen

  • ca. 3.500 bis 4.500 katholischen und evangelischen Geistlichen sind suchtkrank
  • Suchtstoff Nr. 1 ist Alkohol, gefolgt von Alkohol und Tabletten
  • Zahlen über suchtkranke Ordensschwestern liegen für Deutschland nicht vor,
    es ist aber auch hier von einer mindestens 5-7% Prävalenzrate auszugehen
  • In der amerikanischen Gruppe ICAP sind etwa 313 alkoholkranke Ordensschwestern
  • In England wurde kürzlich ein Bischof auf einer Privatfahrt mit 1,3%o gestoppt
  • in einer US-amerikanischen Untersuchung von van de Veldt hatten 32 alkohol-
    kranke Priester insgesamt 400 Jahre abhängiges Trinken; im Durchschnitt hatten
    sie 2-3 Jahre nach der Priesterweihe angefangen, vermehrt zu trinken und waren
    bis zum Antritt der Therapie ca. 12-13 Jahre alkoholabhängig.
  • in einer US Untersuchung von Irons, hatten von 25 Priestern/Pfarrern, die wegen
    eines sexuellen Fehlverhaltens zur Begutachtung kamen, 55% eine Alkoholabhängigkeit.
    Die Gründe für die Begutachtung waren:
    1. Sexueller Kontakt mit einem Gemeindemitglied (überwiegend heterosexuell)
    2. Homosexuelle Kontakte u.a. mit Strichjungen
    3. Sexuelle Kontakte zu Minderjährigen

Zusammengestellt von Dr. med. Bernhard Mäulen


Dr. Bernhard Mäulen