professioneller Sexueller Mißbrauch – Präventionsmöglichkeiten

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Prävention und Therapie  sexueller Übergriffe durch Ärzte

Zunächst: sexuelle und romantische Beziehungen zwischen Arzt und Patient/in sind nie ganz zu verhindern, so wenig wie Fälle von Alkoholsucht bei Ärzten. Die einzige Wahl die bleibt ist, ob wir Ärzte den betroffenen Kollegen verbindliche  Grenzen, Konsequenzen und Hilfsangebote geben oder nicht. Außerdem muß sich die Ärzteschaft gegenüber der Öffentlichkeit erklären, ob und ggfs. welche Maßstäbe für ihre Kammermitglieder gelten. Diese ethischen Maßstäbe professionellen Verhaltens sollten schriftlich festgelegt sein, sowie das Vorgehen der Konfrontation und Hilfe bei Grenzverletzungen.
Der Grund: mittlerweile belegen genügend arztspezifische Daten, dass sexueller Mißbrauch an Patient/innen häufig eine Serientat ist, die ohne Intervention und Hilfe nicht von alleine stoppt aber mit geeigneten Therapiemaßnahmen und Auflagen in vielen aber nicht allen Fällen für die Zukunft verhindert werden kann. Daß dies möglich ist, konnte ich während einer Famulatur in der Menninger Klinik, Topeka Kansas, miterleben. Dort gibt es eine Spezialstation zur Begutachtung und Therapie von Ärzten mit sexuellen Übergriffen.

Bis heute gilt die Feststellung Becker-Fischers:“Um kompetentere Therapeuten/innen zu haben, müßte in der Ausbildung viel offener mit erotischen Gegenübertragungsgefühlen und sexuellen „Fallstricken“ umgegangen werden.“  Wichtig ist, dass das Thema professioneller Grenzen und Grenzverletzungen in die Ausbildung vorkommt, weniger im theoretischen Studium als später in der Facharztausbildung. Hier gibt es auch vereinzelt schon Lehrbücher, die das Thema kompetent darstellen (Reimer). Junge Ärzte brauchen die Diskussion und den Erfahrungsaustausch mit älteren Kollegen, die vermitteln können, dass  sexuelle Gefühle gegenüber Patient/in normal sind  und wie man damit umgehen kann. Dies ist selten anzutreffen. Noch besser wäre die Adaptation des boundary training ( Training für sensiblen Umgang mit Grenzen), wie Werner Tschan es vorschlägt. Daneben sollten Hinweise auf Grauzonen und Selbsteinstufung Fragebogen zur Gefährdung weiter verbreitet werden (Large).
Ferner brauchen wir Hilfen für Kollegen/innen, die sich in eine romantische Beziehung zu Patient/in verwickelt haben: Supervision, Therapie, ggfs. Sucht- oder Sexualtherapie. Leider gibt es in der BRD keine spezifischen stationären Adressen für betroffene Kollegen. Ambulant gibt es einige Ärztespezialisten, die Ärzte und Täter behandeln. Auch die Sexualmedizin in Deutschland könnte helfen, allerdings müsste dazu das Thema Grenzverletzung und Hilfe für übergriffige Ärzte zuvor in der sexualmedizinischen Ausbildung und den Lehrbüchern viel mehr berücksichtigt werden.  Mein Rat an die Ärzte, die in eine unprofessionelle Beziehung hineingeschlittert sind:
- Ziehen Sie sich als erstes aus der Arzt/Ärztin Rolle zurück, geben sie den Patient/in zu
einem Kollegen;
- Machen Sie sich bewusst, dass sie mit einer ziemlichen Wahrscheinlichkeit d. Patient/in
schaden oder geschadet haben;
- holen Sie sich schnell professionelle Unterstützung (Supervision, Balintarbeit, Therapie)
- falls ihr sexuelles Verhalten suchtähnlich ist, holen Sie sich Hilfe in speziellen Selbst-
hilfegruppen, z.B. Sexoholics anonymous; Sex und Liebessüchtige (SLAA)
- finden Sie heraus, warum sie von den vielen Beziehungsangeboten im Leben ausgerechnet
das  zu einem Patient/in gewählt haben
- fragen Sie sich, ob dies die erste derartige Beziehung ist, oder ob Sie schon vorher einmal
eine wie auch immer geartete Grenzverletzung  gelebt haben
- stoppen sie die Beziehung;

TABELLE  IV     Prävention und Therapie  sexueller Übergriffe durch Ärzte

1.         mehr Hinweise auf richtigen Umgang mit Patient/innen, insbes. bei Körperkontakt

2.         Schutzmaßnahmen  z.B. dritte Person bei körperlicher Untersuchung

3.         keine oder minimale Selbstoffenbarung

4.         keine unbezahlte Behandlung

5.         Wartezeit nach Behandlungsende

6.         keine Abend- oder Nachttermine ohne Personal

7.         Supervision

8.         bei Problemen und Verwicklungen sofortige  Weiterleitung von  Patient/in,

9.          Formulierung verbindlicher ethischer Richtlinien der Berufsverbände und LÄK

10.      kontinuierliche Fortbildung speziell auch bei Berufsanfängern

11.     Training professionellen Verhaltens in schwierigen Situationen

12.     Einrichtung einer Beschwerde/Anlaufstelle für betroffenen Patient/in