Biografie – Ich bin Ärztin und HIV-positiv

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Auras, Sonja

Ich bin Ärztin und HIV-positiv

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Herder Verlag, Freiburg 1. Aufl. 1994, 156 Seiten, Preis DM 14,80

Das 1994 erschienene Buch der Kollegin ist sicherlich ein Vorreiter zu dem ausgesprochen heiklen Themenbereich HIV positiver Ärzte und zu einer Zeit verfasst, als die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema ob der ungünstigen Prognose bei noch ungenügenden Therapieoptionen definitiv schwer gefallen sein dürfte. Ein beachtlicher, mutiger Beitrag, der von großer Offenheit zeugt, auch wenn selbstredend unter einem Pseudonym veröffentlicht wird. Bereits an dieser Stelle wird vielleicht so mancher Leser – auch ärztlicher Kollege – ins Nachdenken kommen, warum das Pseudonym wichtig sein könnte. Bei anderen Erkrankungen wäre man vermutlich nicht so schutzbedürftig. Jedoch findet in Auras Buch das Thema der Arbeitsproblematik eine nur begrenzte Erwähnung, die mit der persönlichen Lebenssituation sicher zusammenhängt. An dieser Stelle gäbe es jedoch bedarf nach intensiverer Darstellung beispielsweise rechtliche Implikationen der Einstellungsuntersuchung sowie Versicherungs- und Haftungsfragen. Das heißt konkret inwiefern bin ich als Arzt bei der Einstellung in einem Krankenhaus rechtlich verpflichtet, den künftigen Arbeitgeber, beziehungsweise Betriebsarzt von der Infektion zu informieren (was natürlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Einstellungssituation haben würde!) und was kann bei Unterlassung dieser Information auf den Betreffenden zukommen. Diesbezüglich bietet die Deutsche AIDS-Hilfe wohl eine juristische Information für Ärzte und medizinisch Tätige.
Die Darstellung, wie sich die Kollegin wohl infiziert hat im beruflichen Kontext, scheint mir sehr interessant, da sie einerseits unseren beruflich beeinflussten Umgang mit uns selbst reflektiert und andererseits für viele andere Infizierte in den Bedingungen übertragbar scheint. Zum ersten meine ich, dass unser Beruf von den Arbeitszeiten und dem Engagement in emotionaler wie körperlicher Hinsicht allzu oft eine grobe Vernachlässigung unserer Bedürfnisse beispielsweise nach notwendiger Regeneration zu verlangen scheint. Dadurch gehen viele Kollegen unnötige gesundheitliche Risiken ein, die nicht selten zu schweren gesundheitlichen Schäden führen, die wir zu Recht bei unseren Patienten thematisieren würden. Das zweite ist die spezifische Situation die Frau Auras beschreibt, dass sie durch die depressive Stimmung als Reaktion auf die Gefahr, in der sich ihr Ehemann befand, ihre persönliche Nachlässigkeit was den Schutz im Umgang mit infektiösem Material angeht. Diese Nachlässigkeit im eigenen verhalten, sich also nicht nach den regeln der Kunst zu schützen aus einer bestimmten subjektiven Befindlichkeit, scheint mir aus dem Blickwinkel der Prävention ein ganz entscheidendes Thema zu sein. Leider wird dies von der Autorin nicht wirklich reflektiert, sonder vermittelt es nur dem aufmerksamen Leser. Sie verschiebt die Verantwortung eher in den Bereich der Klinik und des Arbeitsschutzes, der natürlich auch betroffen ist. Diese mangelnde Reflektion des selbstgefährdenden Verhaltens, das meine ich sogar noch in den Monaten nach ihrer Infektion beispielsweise bei den Reisen nach Asien seine Wiederholung findet, wo sie sich in gefährdende Lagen bringt, erscheint mir insgesamt ausgesprochen problematisch, da sie zum Schluss keine Wendung findet. Das Buch liest sich flüssig und ist in einem sehr angenehmen und gefälligen Stil geschrieben. Insgesamt muss jedoch das große persönliche Engagement gewürdigt werden, mit dem Frau Auras diesen sehr intimen Bericht über eine sehr schwere Thematik aus ihrem Leben mit ihren Lesern teil.

Jürgen Graffe , Facharzt für Psychiatrie/ Psychotherapie, Berlin