Gesundheitsförderung für die Mitarbeiter/-innen im Krankenhaus

1. Arbeitsbedingungen und Gesundheitsgefährdungen des Krankenhauspersonals

Die Beschäftigten in der Gesundheitsversorgung können vielfach erheblichen Belastungen und Gefährdungen bei der Arbeit ausgesetzt sein, wobei ihre eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und geschädigt werden kann.1 Der meist hohe Krankenstand, die häufige Fluktuation und die kurze Verweildauer im Beruf insgesamt (z. B. beim Pflegepersonal), gesundheitliche Beschwerden und vorzeitige Invalidität sowie die niedrige Arbeitszufriedenheit sind ein deutlicher Hinweis darauf, daß das Belastungsgeschehen erheblicher Aufmerksamkeit aus Sicht des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bedarf. Zu dem für die Beschäftigten in der Gesundheitsversorgung charakteristischen Belastungsprofil bei der Arbeit gehören insbesondere die vielgestaltigen psychischen Belastungen in Form von Zeitdruck, Leistungssog und hoher Arbeitsintensität, von hohen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Konzentration und Verantwortung sowie psychosoziale Belastungen durch Konflikte mit Vorgesetzten, Klienten oder Patienten, Besuchern und Angehörigen oder Kolleginnen und Kollegen sowie die emotionalen Belastungen aufgrund von Mitgefühl und Anteilnahme angesichts der Konfrontation mit Krankheit, Leid und Tod, Armut, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit der Klienten oder Patienten; in einigen Bereichen spielen auch Bedrohungen der persönlichen Integrität und Sicherheit (z. B. durch Klienten oder das soziale Umfeld) als Faktoren körperlicher oder psychischer Belastungen eine Rolle. Als Ergebnis hoher Anforderungen und hohen beruflichen Engagements bei unzureichenden Rahmenbedingungen und mangelhaften Erfolgserlebnissen kommt es zudem bei den Gesundheitsberufen besonders häufig zum charakteristischen „Burnout-Syndrom“. Hinzu kommen vielfach die zu ungünstigen Tageszeiten gelegenen Arbeitszeiten (Schicht- und Nachtdienst), unzureichende und oft gestörte Pausen sowie lang dauernde Arbeitszeiten (z. B. Überstunden, Bereitschaftsdienst).

In einigen Bereichen (z. B. Krankenhaus, Pflegedienste) spielen auch körperliche Belastungen (z. B. Heben und Tragen von Lasten bzw. von Patienten oder Klienten sowie durch ständiges Gehen oder Stehen bei der Arbeit) sowie Belastungen durch schädliche Umgebungseinflüsse (z. B. Zugluft, Raumklima) oder gefährliche Stoffe (z. B. Narkosegase, Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Zytostatika) und Infektionsgefahren (z. B. Tbc, Hepatitis, Aids) eine wichtige Rolle. Mängel in der Arbeitsorganisation (z. B. geringer Handlungsspielraum, berufsfremde Aufgaben, unzureichende Abstimmung) und Defizite bei der Personalführung (z. B. fehlende Information und mangelhafte Kommunikation, unzureichende Anerkennung und fehlende Unterstützung) stellen zusätzliche Quellen für Streß und Unzufriedenheit dar. Dieses Belastungsgeschehen bleibt vielfach nicht ohne nachteilige Auswirkungen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Motivation der MitarbeiterInnen: Körperliche Beschwerden und seelische Beeinträchtigungen wirken sich über den Berufsalltag hinaus auch negativ auf Privatleben und Familie aus; vorzeitiger Gesundheitsverschleiß (z. B. Frühinvalidität) und verbreitete Unzufriedenheit sind mit verantwortlich für den hohen Krankenstand, die häufigen Fehlzeiten und die hohe Fluktuation in den Gesundheitsberufen; die trotz vorhandener Berufszufriedenheit und dem starken Engagement vielfach geringe Arbeitszufriedenheit führt häufig zu vorzeitiger Aufgabe des Arbeitsplatzes oder zum Ausstieg aus dem Beruf (manchmal sogar aus dem Erwerbsleben überhaupt).

Neben diesen negativen Auswirkungen auf die betroffenen Personen hat dieses Belastungs-Beanspruchungsgeschehen erhebliche negative Folgen für die entsprechen-den Organisationen in der Gesundheitsversorgung: Durch die damit verbundene Beeinträchtigung von Leistungsfähigkeit und Motivation der (ursprünglich in besonderem Maße engagierten) MitarbeiterInnen leidet letztlich die Qualität der Arbeit, die Zufriedenheit der Patienten bzw. Klienten und letztlich die Wirtschaftlichkeit der Leistungserstellung.So sehr sich die Organisationen und Institutionen der Gesundheitsversorgung um die Wiederherstellung der Gesundheit ihrer Klienten und Patienten kümmern, so wenig beachten sie vielfach noch die Erhaltung der Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen. Für diese scheinbar paradoxe Situation sind letztlich die erheblichen Defizite im System des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (z. B. fehlende Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, technische Sicherheitsmängel), die typische Verdrängung und Verharmlosung von Krankheit und Tod bei Personen, die professionell ständig damit (bei anderen) umzugehen haben, das vielfach beschriebene Helfersyndrom und der oft beobachtete „heroische“ Umgang mit Belastungen in den Gesundheitsberufen sowie das professionelle Selbstverständnis der Betroffenen und die weithin fehlende Thematisierung der persönlichen Belastungsfolgen verantwortlich.2

2. Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung für die MitarbeiterInnen im Krankenhaus

Unser duales System des konventionellen Arbeits- und Gesundheitsschutzes, in dem der Staat durch Gesetze, Verordnungen und Richtlinien für allgemeine Schutzstandards sorgt, deren Einhaltung durch die Gewerbeaufsicht (staatliche Gewerbeaufsichtsbeamte) kontrolliert und in dem die Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften) zusätzlich speziellere Unfallverhütungsvorschriften, Richtlinien und Anweisungen für besondere Wirtschafts- und Tätigkeitsbereiche erläßt, deren Umsetzung von den Berufsgenossenschaften (Aufsichtspersonen) überwacht wird, ist in seiner Wirksamkeit und Reichweite trotz der zahlreichen Regelungen und trotz der vielen Experten, die für den Arbeits- und Gesundheitsschutz inner- und überbetrieblich zuständig sind (Sicherheitsbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherbeit bzw. Sicherheitsingenieure, Betriebsärzte, staatliche Gewerbeaufsichtsbeamte, Aufsichtspersonen der BG, Personalräte und Mitarbeitervertretungen) deutlich begrenzt.

Erfolge wurden bei den Bemühungen im konventionellen Arbeitsschutz im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung, der Begrenzung schädlicher oder gefährlicher Umgebungseinflüsse (z. B. Lärm, Klima, Gefahrstoffe) sowie bei der Verringerung muskulärer bzw. energetischer Belastungen erzielt; zudem zeichnet sich das Arbeitsschutzsystem durch einen hohen Grad der Professionalität seiner Experten und das Vorhandensein zahlreicher Regelwerke aus. Diesen Erfolgen stehen allerdings deutliche Grenzen und eine Reihe von Defiziten gegenüber, dazu gehören insbesondere die Vernachlässigung psychischer und psychosozialer Belastungsfaktoren, unspezifisch wirkende Belastungen (z. B. Streß), die unzureichende Einbeziehung der Betroffenen (z. B. als „Experten in eigener Sache“), die Zersplitterung und Unübersichtlichkeit des vorhandenen Regelwerkes und die unzureichende Kooperation der Personen und Institutionen sowie eine unzulängliche Berücksichtigung des Präventionsaspektes (Vorschriften- und Vollzugsstatt Vorsorge- und Prozeßorientierung).3

Auf die Überwindung der Defizite des konventionellen Arbeitsschutzes und auf die Verbesserung der Effektivität zielt der gegenwärtig zu beobachtende Strukturwandel und Paradigmenwechsel im Arbeits- und Gesundheitsschutz, der insbesondere aus drei Quellen seine Anstöße bekommt:

1. Aus dem EG-Recht (z. B. EWG-Vertrag, Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie, Einzelrichtlinien) und seiner Umsetzung in nationales Recht (z.B. Arbeitsschutzgesetz, Bildschirmverordnung, Lastenhandhabungsverordnung) resultieren Anstöße zur Einbeziehung der gesamten „Arbeitsumwelt“ und zur Berücksichtigung „moderner“ Belastungsfaktoren, zum Ausbau der Arbeitnehmerbeteiligung sowie zur Verbesserung von Prävention und Gefährdungsermittlung.

2. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat mit ihrem Konzept der „Gesundheitsförderung“ (Ottawa-Charta 1986), das auf die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, die Entwicklung persönlicher Kompetenzen und Fähigkeiten, die Vernetzung und Verbindung zwischen den Bereichen sowie die Förderung von Gemeinschaftsaktivitäten abzielt, einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der bisherigen Defizite im betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz geliefert.

3. Die Bemühungen um Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung (TQM, ISO 9000 ff.) gerade in den Organisationen der Gesundheitsversorgung bieten die Gelegenheit, die Verbesserung der Qualität der Arbeitsbedingungen mit der Sicherung der Qualität der Arbeitsergebnisse zu verbinden, Verknüpfungen zwischen den Zielen der Effektivität und der Humanität herzustellen und Anschlußstellen des Gesundheitsschutzthemas an vordringliche Ziele der Organisationen (z. B. Rentabilität, Leitbild, Kultur, Umwelt) zu identifizieren. Denn in kaum einem anderen Bereich ist die Qualität der Arbeitsergebnisse (Pflege- und Behandlungsqualität) und die Zufriedenheit der externen Kunden (PatientInnen) derart von der Qualität der Arbeitsbedingungen und der Zufriedenheit der internen Kunden (des Personals) abhängig, wie bei personenbezogenen Dienstleistungen; das gilt ganz besonders für das Krankenhaus.

Im Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. Gesundheitsförderung im Betrieb als Ergänzung zum konventionellen Arbeits- und Gesundheitsschutz im dualen System kommt dieser Paradigmenwechsel zum Ausdruck: Es wird nicht mehr nur gefragt „Welche Arbeit macht krank?“ (… und durch welche Schutzmaßnahmen kann dies verhindert werden…), es wird zudem gefragt „Welche Arbeit erhält gesund?“ (… und durch die Stärkung welcher Ressourcen kann dies gefördert werden …); es wird also nicht nur nach den Gefahren der Pathogenese, sondern auch nach den Möglichkeiten der Salutogenese durch Erwerbsarbeit gefragt. Die bisher praktizierten Maßnahmen bedienen sich in der Regel entweder des Modells der Gesetzlichen Krankenkassen (Instrumente: Arbeitskreis Gesundheit, betrieblicher Gesundheitsbericht, Gesundheitszirkel) oder des Modells der Weltgesundheitsorganisation (Instrumente: Organisationsentwicklung, Projektmanagement); Kombinationen beider Modelle sind möglich und sinnvoll. Ansatzpunkte für Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung in Organisationen der Gesundheitsversorgung sind insbesondere:

1. Beratung und Unterstützung bei der Bewältigung („Verhaltensprävention“) der Belastungen (z. B. Supervision, Kompensationsangebote in Form von Rückenschulen und Entspannungstraining),

2. Gestaltung organisatorischer oder technischer Arbeitsbedingungen („Verhältnisprävention“) im Sinne menschengerechterer Arbeitsgestaltung (z. B. Hebehilfen, Arbeitszeitregelungen und Dienstplangestaltung, Arbeitsablaufgestaltung, Information und Kommunikation) und

3. Schritte zu angebotsbezogener Verhaltensänderung (z. B. gesündere Ernährung im Betrieb).

3. Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung am Beispiel des WHO-Projektes „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“

Das auf der Grundlage der Ottawa-Charta (1986) zur „Gesundheitsförderung“ und der Budapester Deklaration (1991) „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“ von der WHO eingerichtete Modellprojekt „Health Promoting Hospitals“ faßte im Zeitraum von 1993 bis 1997 insgesamt 20 „Pilotkrankenhäuser“ aus ganz Europa (davon 5 Häuser in Deutschland) in einem von Wien aus koordinierten Netzwerk mit regelmäßigen Treffen zum Erfahrungsaustausch (Konferenzen und „Business-Mettings“) zusammen.4 In diesem WHO-Modellprojekt „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“ wurden im wesentlichen fünf Ziele verfolgt, die mehr oder weniger direkt auch auf die Förderung der Gesundheit der MitarbeiterInnen ausgerichtet waren:

1. Erweiterung des Dienstleistungsspektrums des Krankenhauses,

2. Beachtung von Gesundungsprozessen bei kurativen Leistungen im Krankenhaus,

3. Schaffung einer gesundheitsförderlichen Lebenswelt für die PatientInnen,

4. Schaffung einer gesundheitsförderlichen Arbeitswelt für die MitarbeiterInnen,

5. Ausbau des Krankenhauses zur Institution der Gesundheitsförderung in der Region.

Die Strukturen (Aufbau: Leitungsgremium, Projektgruppen) und Prozesse (Bestandsaufnahme, Veränderungsvorschläge, Umsetzung) des Projektes folgen den Grundsätzen der Organisationsentwicklung, die weitgehende Gemeinsamkeiten mit den Prinzipien betrieblicher Gesundheitsförderung aufweisen: Ganzheitlichkeit, Situationsbezug, Phasenverlauf, Partizipation und Ressourcenorientierung. Die wichtigsten Voraussetzungen für die Durchführung des WHO-Projekts „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“ in den einzelnen Häusern waren die Bereitschaft der Krankenhausleitung, die Einwilligung der MitarbeiterInnen und ihrer Interessenvertretung sowie die Schaffung der Voraussetzungen für eine externe Beratung und Förderung bzw. Unterstützung. Was die Gesundheitsförderung für MitarbeiterInnen betrifft, so verbindet man im Krankenhaus damit mehrere Intentionen: Zum einen verspricht man sich eine Verbesserung der Attraktivität vor allem des Pflegeberufes und eine Verringerung des „Pflegenotstands“, zum anderen erhofft man sich eine Verringerung der Fehlzeiten und der Fluktuation sowie eine Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der Motivation, schließlich erwartet man Wettbewerbsvorteile für das Haus durch die Steigerung von Effizienz und durch die Sicherung der Qualität.

Im Rahmen des WHO-Modellprojektes „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“ folgte die Struktur der Arbeit idealtypisch den Prinzipien der Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung: Neben der Linie wurde in Stabsform eine Projektleitung (Mitglieder: Ärztlicher Direktor, Verwaltungsdirektor, Pflegedienstleitung, Mitarbeitervertretung; externer Berater/Moderator) installiert, die für alle inhaltlichen und organisatorischen Fragen zuständig war. Die Bearbeitung konkreter Aufgabenstellungen wurde Projektgruppen übertragen, die i. d. R. bereichs- und hierarchieübergreifend zusammengesetzt waren; z. T. wurden zur Bearbeitung spezieller Aufgabenstellungen bereichsspefische Subprojektgruppen gebildet, die in der Art von Gesundheits- bzw. Qualitätszirkeln operierten. Die WHO-Pilotprojekte wurden in den einzelnen Häusern (idealerweise) von einem Projektkoordinator betreut; vielfach wurde die Koordinationsfunktion aber auch von einer Linienposition (oft: Verwaltungsdirektor) wahrgenommen. Die Projektarbeit wurde von einem externen Berater konzipiert, strukturiert und begleitet; die Gremien wurden von externen ModeratorInnen organisiert und durchgeführt. Idealerweise fand eine (am besten: externe) Dokumentation und Evaluation der Pilotprojekte statt, die von Instituten, Universitäten oder Hochschulen wahrgenommen wurde.

Für den Verlauf der Aktivitäten in den WHO-Pilotprojekten war ein typischerPhasenverlauf mit bestimmten Schritten charakteristisch: Auf der Meta-Ebene des WHO-Netzwerks der Health Promoting Hospitals schloß sich an die Vorbereitungsphase die Umsetzung in den einzelnen Pilotkrankenhäusern an, die in regelmäßigen Abständen über den Fortgang ihrer Arbeiten informierten und berieten; am Schluß fand eine Evaluation statt. Auf der Makro-Ebene der einzelnen Krankenhäuser wurde nach Vorbereitung und Beginn des Projekts eine Bestandsaufnahme von Problemen und die Formulierung von Zielen vorgenommen. Die Aktivitäten im Rahmen des Projekts zeichnen sich (idealerweise) durch eine zunehmende Verbreiterung des Feldes und eine fortschreitende Konkretisierung der Problemstellungen aus. Durch Präsentation der Ergebnisse sowie durch Dokumentation und Evaluation der Strukturen, Prozesse und Resultate wurde die Möglichkeit der Optimierung des Projektes selbst und die Voraussetzung für eine Übertragbarkeit auf andere Häuser geschaffen. Nach Ablauf der Projekte kam es darauf an, geeignete Innovationen in Form veränderter Strukturen in der Gesamtorganisation zu verankern, um den Prozeß der Organisationsentwicklung im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses fortzuführen. Auf der Mikro-Ebene der einzelnen Projektgruppen schloß sich an die Phase der Konstituierung und Aufgabenkonkretisierung die Problemanalyse und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen an, die dann präsentiert und (i. d. R. meist) umgesetzt wurden; als zusätzlich sinnvoll erwies sich die Begleitung und das Controlling der Umsetzung von Vorschlägen.

4. Erfahrungen und Ergebnisse

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung für die MitarbeiterInnen im Krankenhaus können das direkte Ergebnis bestimmter Aktivitäten sein (z. B. Rückenschule, Hebehilfen) oder indirektes Ergebnis von Maßnahmen, die primär andere Ziele der Gesundheitsförderung im Krankenhaus verfolgen (z. B. Bereichspflege, Fort- und Weiterbildung). Im Rahmen des Konzeptes „Gesundheitsförderndes Krankenhaus“ sind Kombinations- und Synergie-Effekte zwischen den verschiedenen Dimensionen und Intentionen der Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung möglich. Typische Ansatzpunkte für verhaltensorientierte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung für MitarbeiterInnen sind kompensatorische Angebote zur besseren Bewältigung berufsspezifischer Belastungen (z. B. Rückenschulen, Entspannungs- bzw. Antistreß-Training), Anregungen zur Meidung gesundheitsschädlichen Verhaltens (z. B. Raucherentwöhnung, Alkoholkarenz) und zur Übernahme gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen (z. B. gesündere Ernährung, körperliche Bewegung), während sich verhältnisorientierte Maßnahmen charakteristischerweise auf den Schutz vor gefährlichen Stoffen (z. B. Zytostatika, Narkosegase) und vor Unfallgefahren (z. B. Stich- und Schnittverletzungen, Stürze, Verkehrsunfälle) sowie auf die ergonomische Arbeitsgestaltung (z. B. Hebehilfen, Transporthilfen) und auf die Verbesserung der räumlichen Verhältnisse (z. B. Farbgebung, bauliche Maßnahmen) richten.

Durch Maßnahmen betrieblicher Fort- und Weiterbildung sowie durch die Schulung von Vorgesetzten, durch die Verbesserung von Information und Kommunikation, durch die Reorganisation und bessere Abstimmung der Arbeitsabläufe werden arbeitsorganisatorisch bedingte Quellen von Reibungsverlusten für die Organisation und von Streß für die MitarbeiterInnen abgebaut. Die gesundheitsfördernden Gestaltungsmaßnahmen richten sich demnach auf die Entwicklung der Organisation und ihrer Strukturen ebenso wie auf die Entwicklung der Personen, die innerhalb der Organisationen tätig sind. Der Erfolg betrieblicher Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung ist nicht voraussetzungslos. Effektivität und Effizienz solcher Projekte sind entscheidend davon abhängig, daß sie auf Akzeptanz und Unterstützung bei den Beteiligten stoßen, daß ausreichende Ressourcen (z.B. Personal, Beratung, Finanzmittel, Zeit, externe Partner) zur Verfügung stehen, daß die Ergebnisse möglichst weitgehend und unverzüglich umgesetzt werden können, daß es zu relevanten und sichtbaren Verbesserungen kommt und daß die Ergebnisse sich nicht auf bloße Verhaltensempfehlungen für die Personen beschränken, sondern daß es auch zu spürbaren und nachhaltigen Veränderungen in den Verhältnissen der Organisation selbst kommt. Es ist nicht immer einfach, spezifische Effekte betrieblicher Gesundheitsförderung (Verbesserung der Gesundheit durch bestimmte Gestaltungsmaßnahmen, z. B. der Arbeitszeit oder Arbeitsmittel) von unspezifischen Effekten (Verbesserung von Motivation und Zufriedenheit allein aufgrund der Tatsache, daß man sich um Belange der MitarbeiterInnen „kümmert“) zu trennen.

Es ist nicht immer leicht, den vielfach hohen Erwartungen, die mit solchen Projekten verbunden werden, kurzfristig etwa mit eindrucksvollen Senkungen von Fehlzeiten und Krankenstand zu entsprechen. Die Verbesserung der Qualität der Arbeitsbedingungen braucht schon natürlich Zeit, bevor sie sich in „meßbaren“ Indikatoren des Erfolgs und in einer Verbesserung der Qualität der Arbeitsergebnisse nachhaltig manifestiert. Evaluationsstudien belegen indes die positiven Effekte von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung für die MitarbeiterInnen im Krankenhaus, die sich z. B. in einer signifikanten Senkung krankheitsbedingter Fehlzeiten, in einer Verbesserung der Arbeitszufriedenheit und einem Rückgang arbeitsbedingter gesundheitlicher Beschwerden des Personals niederschlagen.5 Wo es gelingt, das mit betrieblicher Gesundheitsförderung verbundene „Verbesserungsversprechen“ gegenüber den MitarbeiterInnen durch konkrete Erfolge einzulösen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß damit ein mächtiger und wirkungsvoller Schub zur nachhaltigen Verbesserung von Qualität und Effizienz im Krankenhaus und in den Organisationen und Institutionen der Gesundheitsversorgung insgesamt geleistet werden kann.

Prof. Dr. Alfred Oppolzer

Fußnoten

1 Im Überblick mit weiteren Nachweisen: Oppolzer, A.: Gesundheitsförderung durch Organisationsentwicklung im Krankenhaus. Zum Zusammenhang von New Public Health und New Public Management, in: Mattfeldt, H.; Oppolzer, A.; Reifner, U. (Hrsg.): Ökonomie und Sozialstaat. In memoriam Helmut Fangmann, Opladen 1998, S. 96 ff.

2 Vgl. Oppolzer, A.; Rosenthal, Th.: Gesundheitsförderung als betriebliche Sozialpolitik, in: Pelikan, J. M.; Wolff, S. (Hrsg.): Das gesundheitsfördernde Krankenhaus, Weinheim und München 1999, S. 200 ff.

3 Vgl. Bieback, K.-J.; Oppolzer, A.: Strukturwandel im Arbeitsschutz, in: Bieback, K.-J.; Oppolzer, A. (Hrsg.): Strukturwandel des Arbeitsschutzes, Opladen 1999, S. 7 ff.

4 Im Überblick mit weiteren Hinweisen: Pelikan, J. M.; Wolff, S. (Hrsg.): Das gesundheitsfördernde Krankenhaus, Weinheim und München 1999. – Lobnig, H.; Pelikan, J. M. (Hrsg.): Gesundheitsförderung in Settings: Gemeinde, Betrieb, Schule und Krankenhaus, Eine österreichische Forschungsbilanz, Wien 1996.

5 Oppolzer, A.: Betriebliche Gesundheitsförderung im Krankenhaus, in: Die BG 1/1999, S. 33 ff.

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